Knut Lennartz an seinem Arbeitsplatz in unserer Redaktion

Zum Tod unseres Kollegen Knut Lennartz

Völlig überraschend ist Knut Lennartz, unser Redaktionskollege über viele Jahre, auf einer Urlaubsreise nach Mallorca verstorben. Diese Nachricht hat uns alle hier in der Redaktion der DEUTSCHEN BÜHNE und auch die Kollegen des Deutschen Bühnenvereins, unseres Herausgebers, tief erschüttert. Über 20 Jahre lang war Knut Lennartz sozusagen das geschichtliche Gewissen unserer Redaktion: enorm gebildet, gesegnet mit einem ausgezeichneten historischen Gedächtnis, persönlich erfahren auch in einem Kapitel der deutschen Theatergeschichte, das immer mehr in Vergessenheit zu geraten droht: der Theaterlandschaft der DDR.

Knut Lennartz hat das Seine getan, um die Erinnerung daran zu erhalten. 1992 erschien sein Buch „Vom Aufbruch zur Wende“ als Sonderdruck der DEUTSCHEN BÜHNE, bereits ein Jahr später brachte er anlässlich des XXV. Weltkongresses des Internationalen Theaterinstituts in München die Schrift „Theaterlandschaft Deutschland“ heraus. 1996 schließlich erblickte sein Buch „Theater, Künstler und die Politik. 150 Jahre Deutscher Bühnenverein. Herausgegeben vom Deutschen Bühnenverein, Bundesverband Deutscher Theater“ das Licht der Öffentlichkeit. Auch darin findet sich ein bündiges, dabei äußerst lesenswertes Kapitel zu den beiden Theaterverbänden diesseits und jenseits der Mauer und übrigens auch eine Auswahl hochinteressanter Dokumente zum Zusammenwachsen der Theaterlandschaften in Ost und West.

Geboren wurde Knut Lennartz 1944 in Alt-Draheim (Kreis Neu-Stettin). Er wuchs in Thüringen auf und hatte seine ersten Theatererlebnisse in Eisenach und Weimar. In Potsdam machte er sein Abitur, studierte dann in den sechziger Jahren Theaterwissenschaft und Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität und schlug eine Dramaturgenlaufbahn zwischen Theater und Verwaltung ein: Er war Mitarbeiter des DDR-Theaterverbandes, dann Dramaturg in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und Chefdramaturg in Frankfurt/Oder, wechselte schließlich als Chefdramaturg in die Direktion für das Bühnenrepertoire und war Mitarbeiter der Theaterabteilung im DDR-Kulturministerium in Berlin. Schon damals war er stets auch publizistisch tätig, vor allem für die Zeitschrift THEATER DER ZEIT. Er kannte das System der DDR gut – und zog es wohl auch deshalb 1987 vor, von Deutschland-Ost nach Deutschland-West zu wechseln. In Köln arbeitet er zunächst als freier Journalist, seit 1988 dann beim Deutschen Bühnenverein und in der Redaktion der DEUTSCHEN BÜHNE.

Als ich 1996 zur DEUTSCHEN BÜHNE kam, habe ich die Zeitschrift zunächst allein mit Knut Lennartz gemacht, bevor 1998 Silke Blankemeyer zu uns stieß. Es gab damals erheblichen Entwicklungsbedarf: die Umstellung der Produktion auf ein Server-basiertes digitales Layout; die Überarbeitung des graphischen Erscheinungsbildes hin zu einer zeitgemäßen Magazin-Optik; die Entwicklung einer eigenen Homepage – und anderes mehr. Für Knut Lennartz, meinen älteren Kollegen, war vieles eine Herausforderung – und manches wohl auch eine Prüfung. Es hat mir immer Respekt und Bewunderung abgenötigt, wie er sich dieser Herausforderung trotz gelegentlicher Unmutsaufwallungen stellte und mit mir gemeinsam den Aufbruch in die digitale Zukunft wagte, ja, wie er darin sogar immer mehr Ehrgeiz entwickelte. Vor allem aber: In meinen Anfängerjahren und auch später noch habe ich persönlich und hat auch die Redaktion insgesamt von Knut Lennartz’ unfassbar reichem Wissensschatz enorm profitiert. Es ist nicht zu viel gesagt, dass er mir den Zugang zur nicht immer übersichtlichen Welt unseres Herausgebers mit all seinen Gremien, Funktionsträgern und Amtsinhabern überhaupt erst eröffnete. Das werde ich ihm nicht vergessen.

Dass Knut Lennartz auch in der Theaterwelt eine gehörte und geachtete Stimme war, muss nach dem bisher Gesagten kaum noch betont werden. Gerade die Theater in den östlichen Bundesländern sahen in ihm gleichsam einen Anwalt ihrer Identität, jedermann achtete und bewunderte seinen Kenntnisreichtum, wobei bei ihm die Kenntnis des Vergangenen der Neugier auf Neues nie im Wege stand. Als er 2009 in den Ruhestand ging, hinterließ er eine Lücke, die er uns in seinen ganz gelegentlichen und stets freundlich-vertrauensvollen Kommentaren zu unserer Arbeit unwillentlich immer mal wieder in Erinnerung gerufen hat. Insgesamt aber schien es uns allen hier, dass er sich mit Lebensfreude und Reiselust in die Freiheit des Ruhestandes stürzte.

Knut Lennartz war nie krank. Wir hatten immer den Eindruck, er sei fitter als wir alle zusammen, nichts könne ihn wirklich umwerfen. Auch deswegen erscheint uns sein Tod mit 75 Jahren so unerwartet früh. Wir werden sein Andenken bewahren.