Der Dramatiker Thomas Köck fragt sich: Wie verändert KI Autor:innenschaft? Werden Verlage sie als Hausautor:innen nutzen? Kann die KI Künstler:innen bald ersetzen? Und sind das überhaupt die drängendsten Fragen?
Meine Praxis als Autor in Berlin begann als klassischer Textgenerator. Früher arbeitete ich neben der Uni vor allem auf der Website textbroker.de und verfasste Werbetexte, Produktbeschreibungen und sogenannte SEO-Texte, also suchmaschinenoptimierte Texte, die schnell gefunden und in den Ergebnissen weit oben eingereiht werden konnten, um Traffic und damit verbundene Werbeeinnahmen pro Klicks zu produzieren. Dafür bekam man ein paar Cent pro Wort und wurde nach vielen Monaten mit Glück höher eingestuft und verdiente dann auch ein paar Cent mehr. Das war über zwei Jahre mein mehrstündiger Start in den Tag. Heutzutage ist das eine klassische Arbeit für KI und Bots. Denn worin KIs aktuell am stärksten sind, ist das Verfassen von dem, was man als serielle Texte bezeichnet: Texte mit klarer und bekannter Form.
Autor:innenschaft ohne Aura?
Amazon hat im September 2023 neue Richtlinien für das Selfpublishing veröffentlicht: „Autor:innen“ dürfen nur noch drei Bücher pro Tag (!) veröffentlichen. An wen sich diese Regel richtet, ist klar: KI-based Books. Denn Reiseführer, Ratgeber und serielle Literatur wie Krimis oder Erotic Fiction sind die ersten Genres, in denen die KI reale Autor:innen ersetzen wird. Im klassischen Literaturbetrieb ist es nach wie vor so, dass immer auch der/die Autor:in mitgekauft wird, also ganz klassisch die Aura, wie Walter Benjamin sagen würde.
Es ließe sich natürlich ein Theater imaginieren, das eine KI als Hausautor:in beschäftigt. Als guten Hausgeist mit digitaler Aura. Ich hoffe, ich trete damit keine Türen zu Pandorabüchsen ein – aber natürlich ist es möglich (und ich freue mich über Credits, wenn es passiert), so wie es möglich ist, dass eine KI Regiekonzepte entwickelt, Bühnenbilder und Kostüme entwirft.
Einige Künstler:innen greifen bereits auf Tools wie Dall-E oder Midjourney zurück. Es ließe sich auch imaginieren, dass Verlage eine KI als Autor:in in ihrem Verlagsprogramm präsentieren. Ihr/ihm einen Namen geben, ein Gesicht, eine Biografie und sie auf ein spezielles Genre festlegen. Mit der Zeit würde diese KI dann eine Geschichte erwerben, einen Werkkontext, vielleicht Schaffenskrisen. Also das, was man eine Aura nennt und was große Kunst und Künstler:innen vermeintlich auszeichnet.
Die Datenbasis der KI: Alles Bestehende
Ein Punkt dabei ist die Frage, wer dahintersitzt und Parts der Story wofür auswählt. Der andere Punkt ist ein Plottwist. Diese Idee kommt allerdings von einem Autor und ist der springende Punkt: Alles, was die KI macht, wäre immer nur im Rahmen des Bestehenden möglich: Texte, Regiekonzept, Bühne und Kostüme würden sich aus dem bestehenden Wissen um Theaterregie und die bestehenden Ästhetiken speisen, und die KI-Hausautor:in könnte nur Texte entwickeln, die auf bestehende klassische Formen zurückgreifen.
Um zu entdecken, was neu, interessant, provokant, witzig und riskant ist, müsste sich die KI letztlich zur Theater-, Literatur- und Kunstgeschichte verorten, in gesellschaftlichen Fragen eine eigenständige Meinung einnehmen, eine (womöglich unbequeme) Haltung gegenüber der Gesellschaft und dem Betrieb einnehmen und letztlich ein eigenständiges Bewusstsein besitzen. Wenn dieser Punkt eintritt, ist die letzte Sorge, die wir haben werden, ob Theaterautor:innen ersetzbar sein werden.
Wie wird Autor:innenschaft aussehen?
Die eigentliche Frage sehe ich nicht darin, ob Autor:innenschaft ersetzbar ist, sondern welche Form von Autor:innenschaft wir haben werden und zu welchem Zweck. Mit jedem neuen Medium bangten historisch betrachtet etablierte Formen um ihre Relevanz, und auf eine gewisse Art war dieses Bangen gerechtfertigt. Neue Medien verdrängten alte Medien und damit verbundene Produktionsweisen – und zerstörten Arbeitsplätze.
Gleichzeitig sehe ich KI als ein Tool. So wie das Internet, das für mich als Kind aus einem Nichtakademiker:innen-Haushalt das entscheidende Tool war, um an Wissen zu gelangen, um mich zu emanzipieren – von einem Haushalt, in dem umgekehrt das Aufkommen und die Produktion von billig produzierten Möbeln für die Masse, die man digital von zu Hause aus ordern konnte, die finanzielle Grundlage zerstört haben. Insofern weiß ich sehr gut Bescheid um die Dialektik von neuen Medien, um ihr Für und Wider.
Der Theoretiker Mark Fisher wohnte bis zu seinem selbst gewählten Lebensende in einer britischen Hafenstadt, mit Blick auf den Hafen, in dem automatisierte Schiffe einfuhren, automatisierte Kräne auf dem für Menschen gesperrten Hafengelände die Container dorthin transportierten, wo sie hinmussten. Die Ökonomie braucht den Menschen am Ende in ihrer reinsten Reinform nicht mehr.
Etwas Ähnliches habe ich mitangesehen, als ich auf Social Media mit Bildern gearbeitet habe, die eine KI für mich produziert hat. Binnen kürzester Zeit hatte ich unzählige Bots in den Kommentarspalten, die die von der KI produzierte Kunst kommentierten. Mir wurde klar, dass ich gerade KI-Kunst für KI-Bots, die KI-Traffic organisieren, geschaffen hatte. Ich habe nie so viele Menschen erreicht, wie ich in dem Moment Bots erreicht habe.
Die Arbeit mit KI-Avataren
Aktuell arbeite ich mit dem Regisseur Michael v. zur Mühlen und dem Musiker Andreas Spechtl an einem Projekt, in dem Avatare von uns auf KI-Basis sprechen, performen, mit uns und dem Publikum interagieren und über unsere Werke Auskunft geben sollen. Was uns in dem Projekt beschäftigt, ist auch die Frage nach dem „geistigen Eigentum“ – also wer ist Urheber:in von jenem Wissen, auf das KI zurückgreift? Wer hat die Datenbanken mit welchen Informationen gefüttert, und wem gehört dieses Wissen? Inwiefern bilden sich herrschende Wissens- und Machtstrukturen in diesen Datenbanken ab, und wie verlässlich ist so eine KI letztlich?
Gefragt nach den Texten des Autors Thomas Köck erklärte die KI, dieser hätte den Roman „Der Schwarm“ geschrieben und 2020 einen Gedichtband namens „weiter träumen“. Was eine witzige Pointe ist, kann gravierende Folgen haben: So musste Amazon selbst publizierte Bücher über Pilze zurückrufen, weil der via KI geschriebene Ratgeber über essbare Pilze lebensbedrohliche Fehler enthielt. Meine Praxis als Textgenerator für textbroker.de war ein klassischer Bullshit-Job. Ich war zu 100 Prozent ersetzbar, die Arbeit diente nur Algorithmen und war auch noch schlecht bezahlt. Es sind genau diese Jobs, die momentan am schärfsten den Einsatz von KI zu spüren bekommen.
Das größte Problem für KI sehe ich noch nicht in der Ersetzbarkeit von Künstler:innen, sondern in den massiv drohenden Arbeitsplatzverlusten im öffentlichen Verkehr oder an Kassen. Und die aktuell größte Gefahr ist nicht, dass eine KI den Büchner-Preis gewinnt, sondern eine massive, von Inflation und nicht leistbarem Wohnraum begleitete Arbeitslosigkeit um sich greift und gesellschaftliche Verwerfungen folgen, die sich selbst die fortgeschrittenste KI nicht vorzustellen wagt.