Finger an den Saiten © Annette Hauschild
Antonia Argmann erweist sich in unserem Gespräch in einem Saarbrücker Café als großartige (Fremden-)Führerin durch das ja durchaus geheimnisumwitterte und, auf der anderen Seite, oft in Klischees ertränkte Innenleben des Orchesters. Man folgt ihr sehr gerne, weil hier jemand seinen Arbeitsplatz und Beruf offenbar enthusiastisch liebt und sich doch etwas Distanz bewahrt, weil sie anscheinend Geheimnisse gerne erforscht, aber auch Geheimnis bleiben lassen kann. Ein Beispiel: Antonia Argmann hat schon bei renommierten Orchestern wie den Bamberger Symphonikern oder dem Gewandhausorchester gastiert. In Leipzig ist sie beim „Rosenkavalier“ eingesprungen – mit einer Probe. Wie schafft eine junge Musikerin das? „Jedes Orchester tickt anders, jedes hat sein eigenes Timing. Gerade als Harfe, wo ich eben keinen Stimmführer, keine Stimmführerin habe, muss ich dann mit meinen Sinnen überall sein, um mich hineinzufinden.“ Was soll das in diesem Zusammenhang sein, Timing? Gibt es dafür nicht Dirigent:innen? „Ich muss, wie gesagt, überall gleichzeitig sein, bei den Kolleg:innen, bei Dirigent oder Dirigentin, sogar auf der Bühne. Manchmal spielt das Orchester nicht direkt auf den Schlag, sondern atmet erst noch ein wenig. Wie dann alles doch zusammenfindet, ist schwer zu beschreiben und letztlich nicht zu erklären, aber im besten Fall wird aus diesen einzelnen Menschen, die da musizieren, tatsächlich eine Stimme. Eben durch das Timing. Und das ist ein großartiges Gefühl!“
Faszination Theater
Wie wird man eigentlich Harfenistin? Wie früh muss man beginnen, wenn man dieses Instrument irgendwann professionell spielen will? Antonia Argmann entstammt einer Musiker:innenfamilie und begann mit drei Jahren, Geige zu lernen, das Instrument ihres Vaters. Mit zehn Jahren sah sie erstmals bewusst eine Harfe, beim Tag der offenen Tür in der Schweinfurter Musikschule. „Ich war völlig fasziniert. Ich weiß noch, wie toll ich das Gefühl der Saiten an meinen Fingern fand.“ Bald darauf bekommt sie Unterricht. Mit 15 wird sie als Jungstudentin an der Würzburger Hochschule angenommen. Und schon nach ersten Begegnungen mit älteren Student:innen steht der Berufswunsch fest, und zwar sehr konkret: „Ich wollte von Anfang an ins Orchester und vor allem unbedingt ans Theater!“
Das ist sicher nicht das Hauptmotiv für die Berufswahl bei der Mehrheit der Musiker:innen in deutschen Orchestern. Bei Antonia Argmann sind dafür vor allem Theatererlebnisse im Bespieltheater ihrer Heimatstadt Schweinfurt verantwortlich: „Eine Zeit lang war ich fast jeden Abend im Theater, nahezu gefangen in dieser besonderen Welt.“ Nach einer Akademiestelle am Deutschen Nationaltheater Weimar ist Antonia Argmann seit 2015 beim Saarländischen Staatsorchester angestellt. Und spielt wirklich gerne in der Oper? „Unbedingt! Am liebsten!!! Mich interessiert sehr, was auf der Bühne passiert. Wenn ich mal ein paar Takte oder einen Akt freihabe – als Harfe passiert einem das schon mal –, setze ich mich bei den Proben gerne oben rein und schaue zu.“ Auch die Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Abteilungen gefallen ihr an der Theaterarbeit, sei es in der Kantine oder wenn sie etwa hinter oder neben der Bühne für Bühnenmusik eingeteilt ist. Aber in jedem Fall bekommen die Musiker:innen naturgemäß vom Bühnengeschehen kaum etwas mit. Unterscheidet sich das Musizieren in der Oper trotzdem wesentlich vom Konzertspiel? „Es ist schon dadurch anders, dass wir im Graben sitzen. Auf der Bühne, im Konzert ist man viel präsenter. Man wird gesehen. Aber es ist ein völlig anderes Gefühl, wenn man die Sänger begleiten und die Bühne unterstützen muss. Es kommt einfach eine Dimension dazu.“ Was ist denn dann gutes Musiktheater für sie? Hier überlegt Antonia Argmann und wählt ihre Worte sorgfältig: „Ich finde es wichtig, einen aktuellen Bezug herzustellen, glaube, dass es die Aufgabe des Theaters ist, politisch zu sein und auf Missstände hinzuweisen. Aber genauso wichtig ist, dass es immer etwas gibt, was die Leute aus ihrem Alltag herausholt und in eine andere Welt entführt. Denn deswegen gehen die Menschen, glaube ich, ins Theater – und ich auch. Aus meiner Sicht gute Inszenierungen bringen diese beiden Aspekte zusammen.“
Angekommen
Antonia Argmann, inzwischen 35 Jahre alt, fühlt sich angekommen in Saarbrücken, in der Stadt, im Orchester und im Theater. In einem Dorf in der Nähe hat sie mit ihrem Mann zusammen ein Haus gebaut. Sie mag die Saarländer, die sie als „offen und positiv, auch allem Neuen gegenüber“ beschreibt, was offenbar auch ihr selbst entspricht. Wie hat sie den Saarbrücker GMD-Wechsel (von Nicholas Milton zu Sebastién Rouland) 2018 erlebt, für jedes Orchester bekanntlich immer ein Einschnitt? „Jeder Chef ist anders, ein Wechsel bedeutet Bewegung, Veränderung, und die ist immer gut. Ich arbeite sehr gerne mit Herrn Rouland zusammen.“ Überhaupt ist sie neugierig, auf neue Stücke wie auf neue Situationen und Konstellationen, seien es ambitionierte Kammermusikprojekte oder Duo-Abende mit ihrem Mann, dem Bariton Maximilian Argmann. Obwohl sie im Moment etwas weniger musiziert. Denn Antonia Argmann hat im letzten Frühjahr eine Tochter zur Welt gebracht und ist gerade im Hauptberuf Mutter. Wann sie wieder einsteigt, weiß sie nicht. Aber die Auftritte fehlen ihr schon. Ihre Festanstellung empfindet sie als Privileg: Sie freut sich darauf, die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ zu testen, wenn es irgendwann so weit ist. Und ihre Harfe wieder öffentlich erklingen zu lassen, gemeinsam mit ihren Kolleg:innen, im Konzert und vor allem im Theater.
Antonia Argmann © Annette Hauschild
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Antonia Argmann wurde 1987 in Schweinfurt geboren. Sie absolvierte ein Harfenstudium an der Hochschule für Musik Würzburg und schloss dieses mit dem Meisterklassendiplom ab. In der Spielzeit 2013/14 war sie Orchesterstipendiatin der Staatskapelle Weimar. Seit 2015 ist sie Soloharfenistin am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken.