Causa Kurz: Das Burgtheaterensemble bei der szenischen Digitallesung der Chatprotokolle

Kurz-Nachrichtendienst Burgtheater

Seit 10 Uhr am heutigen 16. Oktober ist das Burgtheater auf Sendung: In Zusammenarbeit mit der Wiener Tageszeitung Der Standard hat das Theater die knapp zwanzigminütige Lesung „Causa Kurz“ zusammengestellt, die nun über die Homepage des Theaters abrufbar ist: Das Burgtheaterensemble (Regina Fritsch, Daniel Jesch, Christoph Luser, Dörte Lyssewski, Robert Reinagl und Nils Strunk) ist bei der szenischen Digitallesung aus den Chatprotokollen zu sehen und zu hören. Es handelt sich um eine Auswahl der Chats zwischen Kurz und Getreuen, die zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den – inzwischen – Ex-Kanzler der Republik Österreich, Sebastian Kurz, führten – und vor einer Woche zum Rücktritt des machtbewussten jungen Politikers.

Zunächst halte ich diese Aktion des altehrwürdigen Theaters für eine sehr sinnvolle dokumentarisch-künstlerische Aktion im Bereich aktueller Krisenpolitik. In konzentrierter, sachlicher Form sind die zeithistorischen Digitaldokumente zu hören, die zur Regierungskrise, vielleicht auch zu einer Staatskrise im Nachbarland, führten. Zum Zweiten halte ich es für bemerkenswert, dass ein Theater, das in der Pandemie-Zwangspause bei digitalen Formate nicht immer überaktiv wirkte, die Lesung über das Netz verbreitet, für alle Interessierten in Stadt, Land und Welt. Noch vor zwei Jahren, so vermute ich, wäre eine Lesung zur „Causa Kurz“ matineeartig im Theater abgehalten worden. Nun ist sie ein Beleg dafür, dass die Theater sozial-medial dazu gelernt haben und dass digitale Formate in manchen Fällen dem guten alten analogen Theater hinsichtlich der Verbreitung überlegen sein können.

Zum Dritten wirkt das Gelesene eben doch theatral. Aus den Texten sprechen Chuzpe, nüchterne Machtgeilheit und die Selbstbesoffenheit innerhalb einer „verschworenen“ Gemeinschaft. Letztlich kommen einem auch hier bei Intrigen und unlauteren Tricks immer wieder Shakespeares Dramen in den Sinn. Im Zentrum steht eher der Kurz-Vertraute Thomas Schmid als Kurz selbst. Ob sich aus den Manipulationen der Öffentlichkeit und den Intrigen innerhalb der ÖVP für Kurz strafrechtliche Folgen ergeben, scheint mir als juristischem Laien unsicher. Als Sittenbild einer demokratischen Gesellschaft ist diese Lesung ein großer Wurf.