Heiner Müllers Text, den der Dramatiker in sein 1979 mit dem Mülheimer Dramatikerpreis bedachtes Episodenstück „Germania, Tod in Berlin“ einband, ist so stark, dass er innerhalb der szenisch-musikalischen Liaison klar dominiert. Und das trotz der eindringlichen Bildersprache, die Regisseur André Wilms für dieses fragmentarische Theater findet. Der erzählende Vater, nachhaltig-realistisch verkörpert von Gilles Privat, und sein Sohn (Nicholas Mergenthaler spielt die stumme Rolle mit glaubwürdigem Engagement) markieren einen szenischen Antagonismus für sich, in den hin und wieder, eher kulissenhaft reale Momente eingestreut werden. Ob es der zusätzlichen Ebene der an die Wände geworfenen Videobilder und Zeichen bedarf, ist fraglich. Müllers zentraler Satz „Ein toter Vater wäre vielleicht ein besserer Vater gewesen. Am besten ist ein totgeborener Vater.“, projiziert und hingeschmiert – so etwas ist im zeitgenössischen Theater mittlerweile reichlich abgenutztes ästhetisches Vehikel.
Wenn die Sprache auf die Musik erst an dieser Stelle kommt, dann vor allem, weil es ihr trotz aller handwerklichen Überzeugungskraft nicht gelingt, so etwas wie eine autonome Ebene zu schaffen. Von ein paar eindringlichen, erschütternden Momenten abgesehen, verharrt sie im Illustrativen, wie eine Tonspur, parallel zu Text und Handlung, aber zumeist Background. Dabei hat Michael Jarrell mit seiner Instrumentation für sechs Perkussionisten und drei Vokalistinnen eine klanglich aparte, variantenreiche Voraussetzung für musikalische Ebenbürtigkeit geschaffen. Doch die jeweils elektronisch unterstützten ätherischen Vokalharmonien (perfekt: Susanne Leitz-Lorey, Ramina Babickaite, Truike van der Poel) und Klangräume der ebenfalls makellos agierenden Percussions de Strasbourg wirken auf die Dauer zu unstrukturiert, homogen und erwartbar, als dass sie dem auf Französisch vorgetragenen Text mehr sein könnten als eine Art elaborierter Hörspielkulisse. Das anfängliche Moment tiefen Beeindrucktseins, etwa durch die peitschenden Schläge, die die Gefangennahme des Vaters begleiten, weicht alsbald einem Déjà-vu. Ja, so kann ein Ödipuskomplex anno 2010 durchaus klingen – so erwartbar durchsichtig.