Man weiß es auch, weil Librettist Martin G. Berger die erzählerische Klammer verändert: Während im Roman Rita die Geschichte im Rückblick nach einem misslungenen Selbstmordversuch erzählt, trifft im Musical Ritas Enkelin Emma auf den inzwischen gealterten Manfred, die beide mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen das Vergangene reflektieren, wobei das Potenzial erhellender Gegenwartsbezüge zu einer etwa wieder stark politisierten Jugend hier leider völlig verschenkt wurde.
Schwierige Verwandlung
So begnügt sich die US-amerikanische Regisseurin und Choreografin Melissa King mit einer historischen Rückschau auf vor allem ostdeutsche Befindlichkeiten der frühen 1960er-Jahre, als die Mauer noch nicht stand, während die Mecklenburgische Staatskapelle unter der Leitung von Martin Schelhaas den Sängern, Schauspielern und Tänzern ihr fein ausdifferenziertes Klangkolorit und anspornende Rhythmen zur Verfügung stellt.
Das operngeschulte Ballett X tut sich bei der Verwandlung in eine Musical-Kompagnie allerdings schwer. Ebenso bedient sich Komponist Böhmer in seinem auch bei gesprochenen Dialogen durchkomponierten Stück zwar des Musical-Idioms, allerdings ohne dessen Versprechen eines mitreißenden emotionalen Zugriffs einzulösen. Im Ohr bleiben hier nicht einmal die von Cornelia Zink gesungenen neumusikalisch verfremdeten „Schlager“, auch wenn das erstaunlich individualistisch bewegte Ballett der Werktätigen seine „Mission Impossible“ mit Anleihen an die Musik des gleichnamigen Agentenfilms unterstreicht.
Sophia Euskirchen und Martin Gerke geben als Rita und Manfred ein stimmstarkes, spielsicheres Paar ab, doch ihre in Musicalhülsen verpackte Gefühlslyrik lässt keine Herzen schmelzen. Starke Stellen findet man bei Böhmer dagegen oft, wenn er sich im freien Spektrum der Neuen Musik bewegt oder in der Nachfolge Kurt Weills die Tür zur Revue aufstößt. Herrlich parodistisch konturiert die Musik mit ihrer automatenhaften Kreisbewegung etwa die eisig angespannte Stimmung beim ersten gemeinsamen Essen des Paars mit Manfreds Eltern: dem verdrängungsfreudigen Patriarchen und Ex-Nazi Ulrich Herrfurth (Brian Davis) und seiner stocksteifen Frau Elfriede (Karen Leiber). Es sind Momente wie diese, die den Besuch der Aufführung lohnen. Inwieweit Christa Wolfs berühmter Romanstoff auch Fragen unserer Zeit aufgreift, und warum diese Fragen in der Form eines Musicals gestellt werden sollten, darauf gibt der Abend allerdings keine Antwort.