Wenn jedoch zur Textzeile „Er weidet seine Herde“ plötzlich ein kopfloser Mann auftaucht, der einen veritablen Hummer an einer Leine führt, wird es ärgerlich. Denn Wilson führt einen hier – vielleicht unabsichtlich – aufs Glatteis, unweigerlich versucht man aus den absichtsvoll sinnfreien (Alp)Traumbildern doch einen Sinn, eine Geschichte zu konstruieren. Ein weiterer Einwand ist mangelnde Präzision bei den Lichteffekten, da bewegt die wunderbar sanft timbrierte Altistin Wiebke Lehmkuhl ruckartig den Arm und eine knappe Sekunde später verändert sich das Licht – leider eben eine knappe Sekunde zu spät… Immerhin beherrschen Lehmkuhl und Richard Croft das strenge Gestenrepertoire perfekt, während die hell gurrende Sopranistin Elena Tsallagova und der Bassist José Coca Loza mit der Wilson-Welt irgendwie doch ein bisschen fremdeln. Wie auch der Wiener Philharmonia Chor, dem es zudem immer wieder an musikalischer Präzision mangelt.
Am Pult der Musiciens Du Louvre steht Marc Minkowski, den man zuletzt leider öfters als arg ruppigen, unberechenbar hyper-emphatischen Dirigenten erlebt hat. Hier jedoch gelingt eine Aufführung aus einem Guss, mit optimaler Klangdramaturgie und sorgsam gestalteten Höhepunkten.
Vor allem das berührende Finale, ein sich langsam drehendes Bäumchen, dessen Wurzeln schlussendlich in den Himmel weisen, versöhnt mit manch Verstolpertem und Merkwürdigem. Letztlich ist Wilsons hochästhetische Herangehensweise allemal sinnlicher und sinnvoller als eine rein konzertante Aufführung oder eine Inszenierung, die aus dem Konglomerat von locker aneinandergefügten Bibelszenen krampfhaft einen Handlungsbogen zu generieren versucht.