Foto: George Stevens und Nadja Stefanoff in "Herzog Blaubarts Burg" in Bremen. © Jörg Landsberg
Text:Elisabeth Richter, am 6. März 2012
Wer war Blaubart? Serienmörder, Seelenfänger, Liebender? Zahlreiche Werke in allen Bereichen der Kunst beschäftigen sich mit diesem Mythos. Am Theater Bremen hatten zwei Operneinakter in der Regie von Rosamund Gilmore Premiere: Bártoks Klassiker „Herzog Blaubarts Burg“ und Franz Hummels Version von 1984, die schlicht „Blaubart“ heißt. Hummel betont die tiefenpsychologischen Dimensionen des Stoffs. Sigmund Freuds „Der Fall Dora“, die Gespräche Freuds und Doras waren Inspiration für das Libretto von Susan Oswell. Das Eindringen in die Seele des anderen wird musiktheatralisch verarbeitet.
Warum schreibt ein Komponist eine Blaubart-Oper? Über jenen merkwürdigen Gesellen, der erstmals im 15. Jahrhundert auftaucht, den Charles Perrault in seiner Märchensammlung 1697 verewigt, von dem die Brüder Grimm und viele andere erzählen. Ein Mann, der etwas hinter sieben Türen verbirgt, der seine Frauen umbringt, und der jeder neuen Frau, bei Bartók heißt sie Judit, verbietet, nach seinen Geheimnissen zu fragen, ihr aber dann doch die Schlüssel zu jeder Tür gibt. Jedes Mal wird es hell in der fensterlosen Burg, am Ende erscheinen die drei bereits getöteten Frauen, sie stehen für Morgen, Mittag und Abend. Und Judit soll für die Nacht stehen, es wird für immer dunkel in Blaubarts Burg.
Bartók soll eine magische Faszination für den Stoff gehabt haben, es wird vermutet, dass er selbst mit einer „gewissen Blaubart-Problematik“ zu kämpfen hatte. Franz Hummel läßt seinen Einakter von 1984 positiv enden. Bei ihm ist Sigmund Freud der respektlos Fragende, doch seine Patientin Dora wehrt sich, befreit sich, und bricht diese Therapie ab.
Wie nah darf man einem Menschen kommen? Wie ist das Kräfteverhältnis von Mann und Frau? Regisseurin Rosamund Gilmore gelang es, in Bremen ein intensives Kammerspiel, voller Spannung, voll sprechender Bilder und Freiraum zur Assoziation zu kreieren. Carl Friedrich Oberles geniale Bühne zeigt bei Bartóks Blaubart sieben Türen schwebend, hängend im Raum, im Halbkreis um eine dicke, raumhohe Säule, an der permanent Wasser herunter rinnt: Blaubarts Tränen, die auf dem Bühnenboden zu einem See werden. Diesen See und die schwebenden Türen gibt es auch bei Franz Hummels Blaubart.
Hier haben wir ein riesiges Bett als Freuds Analyse-Couch, die dicke Säule hängt nun von oben wie ein überdimensionales Mikroskop herunter. Auf vier hohen Tennis-Schiedsrichter-Stühlen beobachten Freud, sowie Vater, Mutter von Dora und die Geliebte des Vaters die Patientin. Doras traumatische Erinnerungen werden gespielt, von Wasserschlachten bis zu sexuellen Übergriffen, hospitalistischen Zuckungen.
All das hat Rosamund Gilmore mit ungeheurer Sensibilität und Balance choreografiert. Sie kommt ja vom Tanz, sie inszenierte schon 1984 die Uraufführung von Hummels Blaubart. Auch musikalisch ließ diese Produktion keine Wünsche offen, nicht nur mit Markus Poschner am Pult der differenziert agierenden Bremer Philharmoniker. Überwältigend, wie klar, wie anrührend, mit welch facettenreichem, immer warmem Timbre Nadja Stefanoff Bartóks Judit gestaltete, wie fein, zurückhaltend, aber hoch-intensiv George Stevens den Blaubart sang. Steffi Lehmann, hochgewachsen, mit aufmüpfigem blonden Pferdeschwanz vermittelte die seelischen Turbulenzen der angeblich hysterischen Dora mit schockierender Glaubwürdigkeit, und sie sang die anspruchsvolle Partie fantastisch.