Formal folgt die Anlage von „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“ dem Schema eines Stationendramas. In der Inszenierung von Nele Lindemann, Fabian Groß und der Einheitsbühne von Dominique Wiesbauer durchlaufen die drei Bernds – Jannek Petri, Leander Senghas und André Wagner – verschiedene Stadien der Ko-Existenz mit der Über-Frau Lysistrata (Lucie Emons). Denn eine Partnerschaft ist das schon lange nicht mehr. Zumal Frau sich ja auch nicht entscheiden kann, welcher Typ sie nun eher anspricht. Auf allen Seiten wächst die Desillusionierung, Selbstreflexion und Dialoge wechseln sich ab mit der Erzählung der Sprecherin aus der Filmprojektion, die die einzelnen Etappen des Dramas vorstellt. Das ist ebenso eine Anspielung an den Chor der griechischen Tragödie wie die Aufteilung von „Bernd“ auf ein „Männertrio“.
„Herzlich willkommen in den Gärten der Vergangenheit, in denen wir unseren Ursprung besichtigen“, so lautet die Einladung zu diesem Museumsbesuch. Der Vorspielgarten mit seinen Nackedeis zitiert zwinkernd eine Mischung aus Paradies und Strandkultur, Lysistrata beschreibt den Vermehrungsauftrag der Frauen; die „privilegierte toxische Männlichkeit“ stellt sich selbstgefällig im Liebesgarten zur Schau. Das gemeinsame Feindbild ist „die Frau, die kraft ihrer beruflichen Überlegenheit meine Ehre verletzt“. Rockiger Disco-Sound und Lichteffekte charakterisieren den Präsexgarten, in dem zwei Bernds dem dritten die langen Haare scheren. Und im Missionarsgarten werden die Zuschauer Zeuge, wie sowohl Lysistrata als auch den Bernds die Lust vergeht. Der Erwachsenengarten bespiegelt dann vor dem Hintergrund bisher gängiger Klischees, wie die Frau zunehmend in die Rolle des Mannes drängt. Dass das Baby als Rettung der Beziehung nicht funktioniert, wird dann im Kindergarten klar. Die Männer werden zu Hausmännern und ihrer Existenz sehr bald überdrüssig. „Wir haben die Welt gebaut, wir haben die Welt ruiniert.“ Und fassen den Entschluss: „Lasst uns keinen Sex mehr haben mit Menschen, die uns verachten.“ Das ist der Anfang vom Ende. Denn im Friedgarten sind die Männer ausgestorben, die Frauen pflanzen sich mit technologischer Hilfe fort – in ihrem jetzt ach so perfekten Leben, in dem sie sich in Selbstbespiegelung verlieren. Und machen sich Gedanken über die Welt, die sie retten – wozu? „Wenn keiner mehr da ist, der schuld sein könnte – außer uns?“
Das zunächst augenzwinkernde Spiel mit Gendertypen wird unmerklich zu einer Vision, Apokalypse und Science Fiction zugleich. Genderkampf mündet in Selbstzerstörung.
Die Prozesse und Befindlichkeiten auf dem Weg dahin loten die vier ungemein spielfreudigen Darsteller voller Elan aus in dieser packenden, rundum stimmigen Inszenierung, die nicht eine Sekunde der knapp anderthalb Stunden an Spannung verliert. Sibylle Bergs Text ist genau am Puls der Zeit und diagnostiziert unsere Zivilisationskrankheiten.
Die Deutsche Erstaufführung fand als Online-Premiere im Rahmen der Europäischen Kulturtage 2021 statt.