Foto: Das Projekt der Jungen Oper am Rhein ist verspielt und zauberhaft! © Anna-Mareike Vohn / Elisa Kuzio
Text:Konstanze Führlbeck, am 3. Mai 2020
Was so alles passieren kann, wenn ein Mädchen und ein Junge in der Corona-Zeit Klopapier kaufen sollen, erzählt der Kurzfilm „Völlig von der Rolle“, ein Osterferienprojekt der Deutschen Oper am Rhein im Rahmen der Reihe „Opernmacher 2.0“. Über 70 Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahren aus ganz Deutschland, aber auch von der Deutschen Schule in der venezolanischen Hauptstadt Caracas haben unter der Gesamtleitung von Anna-Mareike Vohn in verschiedenen Werkstätten ein modernes Märchen geschaffen – online, jeder und jede zu Hause vor dem Laptop!
Carolin (Helene Hauertmann) hat Langeweile. Das ist kein Wunder, muss sie doch zu Hause bleiben. Wie alle in dieser Zeit, in der das gefährliche Corona-Virus die Menschen bedroht. Sie zappt durchs Fernsehprogramm, wieder mal. Disharmonische Klänge begleiten sie dabei. Familienhund Waldo-Ayla leistet ihr Gesellschaft. Gemeinsam langweilt man sich eben doch besser. Da ist es schon eine willkommene Abwechslung, wenn ihre Mutter (Anna Maria Arkona) sie zum Einkaufen schickt. Obwohl sie sich das natürlich nicht anmerken lässt, sondern zuerst einen „Nullbock“-Ton anschlägt. Denn was soll sie kaufen? Klopapier! Genau das gibt es aber in den Geschäften kaum noch, warum auch immer.
Zusammen mit Waldo-Ayla macht sie sich schließlich zu warmen Geigenklängen doch auf den Weg zum Supermarkt, wo sie ihren Freund Horst (Melz Eek) trifft. Die Jagd auf die letzte Packung mit Klopapierrollen wird zum dramatischen Auftakt skurriler Ereignisse: Als beide Kinder an der Packung zerren, reißt sie auf. Bei der Schlacht ums Klopapier mit anderen Kunden wird Waldo-Ayla in eine Rolle eingewickelt und stößt gegen Carolin und Horst, so dass alle drei durch einen offenen Gullydeckel stürzen – in eine andere Welt. Denn die Topfpflanze (Malte Arkona), die sie im Abwasserkanal treffen, führt sie durch einen unheimlich aussehenden Strudel in ein magisches Meer. Waldo-Ayla hat sich inzwischen in einen Hamster verwandelt, nur sein charakteristisches Pupsen verrät seine Identität. In dem Wunderland gibt es Inseln mit absonderlichen Bewohnern: Bedrohliche Becher mit scharfen Reißzähnen, sirenenhaft lockende Klebestifte und zu disharmonischen Klängen schief singende Bleistifte bevölkern sie. Die anrückenden Anspitzer verjagt Horst mit Hilfe der windböenartigen Pupser von Waldo-Ayla. Zum Dank verraten die Bleistifte ihnen, wie sie mit Hilfe eines Flusses aus Klopapier wieder nach Hause kommen. Und dort hat Carolines Mutter wieder nur Augen für den inzwischen zurückverwandelten – und pupsenden – Waldo-Ayla.
Märchenfreunde finden in dieser unter Leitung des Autors Sascha Pranschke in einer Erzählwerkstatt von den Kindern selbst entwickelten Geschichte mit ihrem aktuellen Thema Elemente aus „Gullivers Reisen“ ebenso wie aus „Alice im Wunderland“ oder Homers „Odyssee“. Auch ein verwandeltes Tier und sprechende Dinge gehören dazu. Die Partitur, die die Kinder der Musikwerkstatt zusammen mit David Graham erstellt haben, kommentiert das Geschehen in phantasievollen lautmalerisch-situativen Klängen und Stimmungsbildern, ebenso wie die Kinderchöre. Für den perspektivischen Bruch sorgt die Erzählerrolle von Malte Arkona mit ihrem expressiven Sprechgesang, die ganz ungezwungen eine Fiktion in der Fiktion etabliert. Bewusst kindhaft-spielerisch – und eben gerade nicht à la Disneyworld – bleiben auch die Bilder dieses zauberhaften Kurzfilms, die die Kinder mit Elisa Kuzio in der Kreativwerkstatt gestaltet haben. Und dass die Kinder das alles in Aufgabenteilung aus ganz verschiedenen Orten beigesteuert haben, ist eine kreative und organisatorische Leistung, die einen Extra-Applaus verdient.