Foto: Christiane Kohl (Sieglinde) und Zoltán Nyári (Siegmund) © Kirsten Nijhof
Text:Ulrike Kolter, am 23. März 2018
Am Theater Chemnitz inszeniert Monique Wagemakers den zweiten Teil des „Frauen“-Rings: Richard Wagners „Die Walküre“
Die Oper Chemnitz hat den zweiten Teil seines neuen Frauen-„Rings“ zur Premiere gebracht, der von vier verschiedenen Regisseurinnen inszeniert wird und der Anfang Februar mit Verena Stoibers zeitkritischer wie unterhaltsamer „Rheingold“-Deutung gestartet ist. Wagners Weltendrama weiblich deuten – will das auch Regisseurin Monique Wagemakers mit ihrer „Walküre“?
Nein. Sie erkenne vielleicht Tendenzen, gibt sie im Programmheft zu, aber keine spezifisch weibliche oder männliche Sicht aufs Werk. Was soll man da auch deuten, wenn die schlimmste Strafe für Brünnhilde im feuerumringten Schlaf darin besteht, einem Ehemann samt heimischem Herd entgegen zu sehen? Während Wotan sie aus dem Bund der Walküren verbannt hat, die er allesamt mit unterschiedlichen Frauen gezeugt hat – und trotzdem Moraldiskussionen mit Ehefrau Fricka führt… Die geschlechterspezifische Rollenverteilung in Wagners Weltendrama ist deutlich, obwohl es neben aller männlicher Dominanz auch Frauen wie Fricka gibt, die sprichwörtlich die Hosen anhaben.
Große Figureninterpretation und szenische Neudeutung sind ohnehin nicht Wagemakers Anliegen. Sie malt lieber große Tableaus, hübsche, gelegentlich zur Statik tendierende Bilder, die dem großartigen Solistenensemble Raum zur musikalischen Entfaltung lassen: Überwiegend steht oder kniet man, Sieglinde – ganz mädchenhaft – neigt zur Ohnmacht, ansonsten zeigt sich die flammende Leidenschaft zwischen Siegmund und Sieglinde höchstens im plantonischen sich die Hände reichen.
Claudia Weinhart hat auf die Bühne ein zeitloses Gerüst geschwungener Rundbögen mit Leuchtröhren gebaut, die nach Drehbühnenfahrt sichtbar werden. Vorn öffnet und schließt sich hin und wieder ein durchsichtiger Netzvorhang – warum, erklärt sich nicht ganz. Auch die bühnenbreiten Videoprojektionen auf der Hinterbühne bieten eher ästhetischen Reiz als inhaltlichen Mehrwert: ziehende Wolken, trockene Äste, überdimensionale Mädchengesichter. Zu Siegmunds „Siehe, der Lenz lacht in den Saal!“ schreitet ein Kinderpaar vor die Augen Siegmunds und Sieglindes: Andeutungen alles auf die durchaus belastete Vater-Kind-Beziehung zwischen Wotan und seinen diversen Sprösslingen.
Die Walküren sind in den Kostümen von Erika Landertinger eine eingeschworene Truppe, in Reifrock und Brustpanzer mit Korsett-Abdrücken der nackten Brüste (als Reminiszenz womöglich an die Walküren im letzten Chemnitzer „Ring“ von Michael Heinicke). Zunächst versammeln sie sich fast ulkig automatenhaft im Stuhlkreis, dann choreographiert Wagemakers die Gruppe durchaus geschickt, auch musikalisch ist die Szene pointiert und mit sängerischem Niveau.
Überhaupt ist das Ensemble bis auf wenige Abstriche hochkarätig besetzt, allen voran die in allen Registern brillante, dunkel timbrierte Fricka von Monika Bohinec (aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper) als ganz majestätische Göttin. Wotan (ebenso famos: der griechische Bariton Aris Argiris) pflegt seinen Zorn sängerdarstellerisch aufs Heftigste, lässt sich am Ende aber doch erweichen und fällt der abtrünnigen Tochter in die Arme. Dara Hobbs schafft es im Sinne der Inszenierung, die Brünnhilde musikalisch ebenso mädchenhaft zu gestalten wie Christiane Kohl ihre Sieglinde, beide Stimmen klingen angenehm hell und weder schrill noch zu dramatisch in den exponierten Lagen. Hunding ist mit Rauschebart, Glatze und Fellmantel ein brutaler Rüpel, dem man als Frau wahrlich nicht allein begegnen mag (aus dem Chemnitzer Ensemble solide besetzt: Magnus Piontek). Nur Zoltán Nyári braucht als Siegmund Aufwärmphasen, um sich freizusingen, galoppiert anfangs unnötig überakzentuiert durch seine Partie, ehe ihm formidable Spitzentöne gelingen, wenn das Wälsungenblut erblüht.
Felix Bender führt die Robert-Schumann-Philharmonie als 1. Kapellmeister in teils extrem gedehnten Tempi, stets jedoch ensembledienlich durch den Abend – die wagnergeeignete Akustik des Hauses tut ihr übriges für ein üppiges Klangbild.
Dass diese eher gediegene „Walküre“ inszenatorisch den kompletten Gegensatz zur inhaltlich fordernden „Rheingold“-Interpretation bildete, zeigt mal wieder, dass man den „Ring“ problemlos an verschiedene Produktionsteams geben kann. So wird am Ende für jeden was dabei sein – das Chemnitzer Publikum feierte den Abend mit langen, stehenden Ovationen.