Foto: „Trouble in Tahiti“, hier mit Mario Lee, Susann Vent-Wunderlich, Erika Simons, Jan Friedrich Eggers und Mark Hamman. © Jörg Landsberg
Text:Ute Grundmann, am 21. Februar 2021
Dinah sieht die Sekretärin ihres Mannes als jung und attraktiv, er dagegen hält sie für einen „hässlichen alten Vogel“ und beginnt trotzdem eine Affäre mit ihr. Doch dieser „accident“, wie er glaubt, ist der Anfang vom Ende des Liebesglücks im Reihenhaus. Aus diesem Alltags-Unfall hat Leonard Bernstein einst ein Mini-Musical oder ein Operchen gemacht: „Trouble in Tahiti“, jetzt im Theater Osnabrück auf die Bühne und in einen ordentlich gefilmten Stream gebracht.
Zwei (Licht-)Spots trennen die Liebenden mehr als sie in Szene zu setzen. Dinah mit Brautschleier, Sam im Anzug, so singen Susann Vent-Wunderlich und Jan Friedrich Eggers gleich zu Beginn, wie einfach es doch sei, „ich liebe dich“ zu sagen. Schon da schwingt mit, dass es kein gutes Ende nehmen wird, und in den kommenden 60 Minuten wird zwischen beiden meist viel Leere sein. Das liegt nicht nur an dem großzügigen Loft, das Jörg Zysik auf die Bühne gebaut hat: ein Riesenraum mit wenigen, kargen Tischen und Hockern, eigentlich das Gegenteil des „hübschen, kleinen Hauses“ in der Vorstadt, das ein kommentierendes Trio später besingen wird. Hinter den hohen Fenstern schimmert es wie die Lichter der Großstadt, doch es ist das Osnabrücker Symphonieorchester in kleiner Besetzung.
Leonard Bernstein, der hier Komponist und Librettist zugleich war, nannte sein 1952 uraufgeführtes Werk selbst eine „Oper“. Sie spielt in der Entstehungszeit der 1950er Jahre, Regisseur Guillermo Amaya belässt sie auch dort, und so sind die Rollen klar verteilt: Aus Dinahs Brautschleier wird schnell ein Babybündel, dessen Geschrei Daddy ins Büro oder zum Sport treibt. Sie trägt ein brav-grünes Samtkleid zum häuslichen Leben, muss ihn um Geld bitten und entflieht manchmal ins Kino. Sam macht sich mit Liegestützen fit für die feindliche Welt draußen, wo er sich, anders als zu Hause, großmütig und -zügig zeigt. Doch aus diesem Nichts an Handlung macht Bernstein ein wohlklingendes Nachdenken über die Liebe: „Will it go on?“, bangt Sam, „must it?“, fragt sich Dinah. Fragen sie danach, wie lang der Song dauert, meinen sie ihre Gefühle.
Konstatiert Sam nach gerade mal der Hälfte der sieben Szenen: „Du führst dein Leben und ich meins“, fährt das Orchester mit Donner, Grollen, Sturm und Streit dazwischen. Unter ihrem Dirigenten An-Hoon Song spielen die Osnabrücker einen abwechslungsreichen, aber nie oberflächlichen Sound: mal jazzig, mal lyrisch wechseln sie von Melancholie ins Opernhafte. Vor allem dann, wenn Dinah (Susann Vent-Wunderlich ist sehr ausdrucksvoll mit Stimme und Spiel) sich in einen verwunschenen Garten träumt („Long ago…“).
Und während das „Jazztrio“ (Erika Simons, Mario Lee, Mark Hamman, jeweils in hohen Einzelboxen in die Szene geschoben) das Vorstadtleben als „Jeder Tag ein Sonntag“ preist, bleiben Dinah und Sam immer separiert, singen sich auf Distanz an – und das ist nicht nur den AHA-Regeln geschuldet. Den hübschen Titel gibt dem Ganzen eine Filmschnulze, den erst Dinah, dann beide im Kino sehen.
Doch weder „Trouble in Tahiti“ noch die silbernen Schmetterlinge und Bärchen, die die Regie immer wieder einschweben lässt, können die Idylle retten, die gern besungene „himmlische Ruhe“ ist eher bleiern. Nach genau 63 Minuten bleibt das unterhaltsame, ein wenig nachdenkliche Operchen ohne Musical-Leichtigkeit, gibt es für Dinah und Sam statt eines Happyends gerade mal ein „Vielleicht“.