Text:Ute Grundmann, am 15. März 2011
Herman, Isabel und Niek wollen „Faust“ spielen, eigentlich. Doch erst mal müssen sie klären, ob dieser komische Prolog wirklich sein muss und wer eigentlich Regie führt. Der bebrillte Herman (Sven Reese) setzt sich durch, kommt aber leicht ins Schwadronieren dabei. Isabel (Susanne Krämer) spielt alle drei Rollen des Vorspiels auf dem Theater allein und ist gleich darauf noch Gott im Blaumann. Und Niek (Chris Lopatta), der Teufel in Tarnjacke und Springerstiefeln, findet, die Menschen sind ein Sauhaufen. Wie eine Improvisation, wie eine leicht verunglückte Probe, beginnt die deutschsprachige Erstaufführung von „Zerreissprobe Faust“ des niederländischen Autors Oscar van Woensel im Theater der Jungen Welt in Leipzig.
Die Bühne ist ganz nah an die Zuschauer herangezogen (Ausstattung Fabian Gold), darauf eine weiße Scheibe als zweite Bühne, Ständer mit Kostümen, Stühle. Hier hat Hausherr Jürgen Zielinski das Stück für Zuschauer ab 15 konsequent, flott und mit Witz als Theater-im-Theater inszeniert. Als Stichworte kommen die einzelnen Faust-Szenen noch vor, doch die drei geraten immer ins Diskutieren. Wie drückt man Leidenschaft aus, was sind Gefühle, ist Theater überhaupt das richtige Medium? Herman/Faust würde lieber Glenn Gould beim Klavierspielen zuhören, für Niek/Mephisto ist das bloß bombastisches Geklimper. Wenn Faust bittet, „ich will das echte Leben“, antwortet Isabel trocken „wir versuchens halt“. Es wird gerapt und gereimt, „brandomäßig“ auf Mafioso gemacht, zum Osterspaziergang gibt’s ein Osterei. Wenn Faust mithilfe eines Plastikpudels die Geister rufen will, passiert erstmal gar nichts und dann kommt – „Hallodido“ – der Teufel in barockem Umhang und Federkappe zur Tür herein. Das Schüler-Quälstück wird hier zur flotten Revue, es wird Theater gespielt und gleichzeitig hinterfragt. Dabei bleibt „Faust“ und die Frage, wie man ihn denn auf die Bühne bringen und was man damit (noch) anfangen kann, stets präsent.