Willkommen auf der Baustelle!

Subbotnik: Haus/Doma/Fest

Theater:Orangerie Theater, Premiere:01.09.2022Regie:Subbotnik

Was ist ein Haus, sozusagen philosophisch und gesellschaftlich betrachtet? Klar, es schützt vor Regen und Kälte, aber was macht es mit uns? Vereinzelt es uns, weil es uns in individuelle Rückzugsräume treibt, oder bringt es uns, hält es uns zusammen? Träumt nicht irgendwie fast jeder vom Eigenheim, von der eigenen Immobilie, wo er die Tür zu machen kann vor der Welt? Und was passiert, wenn der Traum beginnt, in Erfüllung zu gehen? Er wird Baustelle…

Mit solchen Fragen beschäftigt sich das Trio Subbotnik in seinem auf drei Jahre angelegten Projekt „Haus/Doma“. Für die Auftaktpremiere „Fest“ haben Sie das Kölner Orangerie Theater mit runden Tischen für jeweils acht Personen bestückt. Es gibt weiße Papiertischdecken, Wasser und Wein, eingelegten Rettich und als Apotheose wohlschmeckendes, sehr frisches Brot und Olivenöl. Kleine Lautsprecher über den Tischen verströmen Stimmengewirr und andere Atmosphäre-Steuerer. Die Performer:innen – neben den Subbotniks Kornelius Heidebrecht, Martin Kloepfer und Oleg Zhukov sowie Nadja Duesterberg und Nora Vollmond – setzen sich mit an Tische, verwickeln in Gespräche und setzen Themen. Oleg Zhukov geht mit einem rudimentären Modell eines Hauses herum, das dann der Protagonist im ersten szenischen Segment ist, im ersten Moment, in dem das Publikum als Ganzes angesprochen wird. Was will man überhaupt mit einem Haus, was kann es leisten? Nicht funktional, sondern fürs seelische Wohlbefinden. In den Texten der fünf tauchen mehrfach Einzelheiten aus den Tischgesprächen auf, die also auch Materialsammlung waren. Immer wieder macht die Performance Pausen, was das Publikum aber nicht stört. Ein Blick durch den Raum zeigt: Nahezu niemand sitzt unbeteiligt herum, fast alle reden miteinander. Ich erlebe mich in einem intensiven Gespräch über Wohnmodelle und Nachbarschaften mit Menschen, die mir eine Stunde zuvor noch unbekannt waren (Begegnungen sind ja immer etwas Wunderbares, vor allem, weil wir ja in Pandemiezeiten fast zwangsläufig verlernt haben, live Bekanntschaften zu machen).

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Holz und Pappe

Martin Kloepfer trägt Holzlatten herein und schraubt sie nach und nach zur Idee eines Hauses zusammen, das dann um einen der Tische herum aufgerichtet wird. Nadja Duesterberg spricht einen eindringlichen Monolog über das Wohnen und das Behaustsein mit und ohne Haus, während sie in ein Papphaus gekleidet ist. Kornelius Heidebrecht spielt und mischt immer wieder Keyboardsounds dazu. Und irgendwann zwischendurch verschwindet Oleg Zhukov mit der Hälfte des Publikums, wohin auch immer.

Zum Schluss sind alle wieder da. Das Hausmodell ist fertig, auch Martin Kloepfer zieht ein Papphaus an, mit einer sehr kleinen Öffnung, durch die hindurch er Tuba spielt, und das fünfköpfige Ensemble tut, was Gemeinschaften gerne tun, um sich ihrer Gemeinschaftlichkeit zu versichern: Sie singen ein Lied, leidenschaftlich mit strahlender, brüchiger oder sprechender Stimme, ein Lied über Begrenzungen und deren Überwindung und über die Möglichkeiten, die Menschen haben, wenn es ihnen gelingt, sich miteinander zu verbinden.

Direkt, unprätentiös, witzig

„Fest“ ist eigentlich kein spektakulärer Abend, aber direktes, unprätentiöses und  – Achtung, selten! – entspannt witziges Theater. Besonders wird es dadurch, dass Subbotnik sich wirklich für ihr Publikum zu interessieren scheinen. Zumindest heißen sie es glaubhaft freundlich willkommen, hören zu und bringen die Menschen miteinander in Kontakt, ohne krampfhaft privat oder devot zu werden.

 „Haus/Doma“ ist, wie erwähnt, auf drei Jahre angelegt. Es soll zwei weitere Performances geben mit den Titeln „Familie“ und „Erbe“. Aus der nachzulesenden Beschreibung geht nicht hervor, wie das Projekt genau weiterläuft, ob etwa das in „Fest“ gesammelte Material im Weiteren eine Rolle spielen wird oder ob tatsächlich irgendeine Art von Bauwerk irgendwo entstehen soll, aber nach diesem charmanten und vor allem sehr anregenden Auftakt („Ich gehe mit anderen Gedanken nachhause“, sagte eine meiner neuen Bekanntschaften mit einem Lächeln) möchte ich unbedingt wissen, wie es weiter geht.