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Wild Things

Dave Eggers: Bei den wilden Kerlen

Theater:Thalia Theater, Premiere:10.11.2013 (UA)Regie:Christina Rast

Max ist ein Wolf. Auch, wenn ihn die anderen für einen kleinen Jungen im Karnickelkostüm halten. Und wo ihn zuhause niemand so richtig ernst nimmt (die große Schwester Claire ist zu „cool“ zum Spielen, die „Mom“ muss arbeiten und Gary, der Freund der Mutter, macht den Eindruck, als sei er zu überhaupt nicht viel zu gebrauchen), baut er trotzig Mist, wird ins Bett geschickt und erträumt sich des nachts seine eigene Welt, in der er in Robinson-Crusoe-Manier die Segel hisst und auf Reisen geht. Er landet auf einer Insel voller Monster, macht sich mutig-forsch zu ihrem Anführer und erlebt mit ihnen ganz spezielle Abenteuer. Hier hat er endlich Freunde zum Spielen gefunden, darf Krach machen, toben, Kämpfe ausfechten. Und muss doch lernen, dass alles Handeln Konsequenzen hat. Im Hamburger Thalia Theater erlebte Dave Eggers Geschichte „Bei den wilden Kerlen“ (die auf dem Bilderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“ beruht und in den USA bereits erfolgreich verfilmt wurde) nun ihre Uraufführung. Wilde Kerle als Weihnachtsmärchen im Theater, für Zuschauer ab sieben.

Christina Rast hat den Text für die Bühne bearbeitet und inszeniert. Und sie erschafft gar Phantastisches auf dieser Bühne, wo Max austeilt und einstecken muss, seine Lehren zieht und viel dazulernt. Die moralische Keule hat sie vorausschauend eingespart und überlässt diesbezüglich die Handlung ihrer eigenen Wirkung. Die Regisseurin zögert nicht, auch Brutalität und Dramatik zu zeigen, Spannung zu erzeugen. Ein gewisser Grusel bleibt sowieso nicht aus bei den herzigen Fabelriesen, die so gutmütig dreinblicken und doch jederzeit einen kleinen Max verspeisen könnten, auch wenn sie ihn natürlich eigentlich bloß zum Fressen gern haben. Denn in den großen, groben Wesen stecken zarte Geister mit ganz normalen Gefühlen: Freude, Eifersucht, Trauer. In großen, aufwendig hergestellten Kostümen wirken sie gar lebensecht.

Die Regie ist zudem nicht allzu sehr um Happy Endings und Heile-Welt-Strategien bemüht, sondern erzählt auf äußerst lebendige Art die Geschichte des Jungen und all der Stolperfallen, in die er tappt. Nie wird es nebensächlich, alles Handeln ist zentral. Mitunter entsteht allerdings durch das Tempo eine gewisse Hektik und auch die teils ausschweifende Parallelität der Ereignisse (Musik, Gespräch, Bewegung) droht auch die Kinder etwas zu überfordern. Dennoch wird ein großer Zauber erzeugt. Dieser entsteht auch und vor allem durch die großartigen Kostüme der Monster (Ausstattung: Franziska Rast) und das musikalische Konzept der Hamburger Band „Kante“, die nicht nur phantasievolle Songs geschrieben hat, sondern auch einen Live-Geräuschteppich erzeugt und mit ihren Sounds immer wieder Sendung-mit-der-Maus-Assoziationen hervorruft: Schwer oder quietschend klingen da zum Beispiel die Schritte der Fabelwesen, denen auch die Darsteller über Stimmen und Bewegungen viel Ausdruck verleihen.

Pascal Houdus vertritt den wilden Max mit glaubwürdiger, durchdringender Energie und vermeidet trotz der in der Figur angelegten Hyperaktivität eine darstellerische Überdrehtheit, er macht den Jungen zum liebenswerten Gernegroß, der eigentlich von Grund auf gut ist. Man hört an diesem Premierennachmittag besonders viele Erwachsene lachen und anschließend besonders lautstark die Kinder jubeln. Hier ist wildes, dramaturgisch sensibel ausgelotetes Familientheater entstanden.­­­