Foto: Tobias Lutze (l.) und Rainer Kühn als Polizisten in der ersten Szene. © Karl und Monika Forster
Text:Andreas Falentin, am 29. Oktober 2023
Wichtige Deutsche Erstaufführung im Hessischen Staatstheater Wiesbaden: David Mamets neues Stück hat nicht nur tolle Dialoge, sondern auch eine staunenswert aktuelle Menschendarstellung. Die sensible Inszenierung von Johannes Lepper bietet großartige Darsteller.
David Mamet kann Dialoge schreiben. Das ist bekannt. Vor allem kann er Theaterdialoge schreiben, Texte, die uns auf der Bühne bewegen und beschäftigen, aber im Film oder im Roman irritieren, empören oder kalt lassen. Ein Beispiel aus „Die Masken des Teufels“: Joan, eine verheiratete, eher vermögende Frau spricht davon, dass sie es nicht mag, wenn die „Rassen sich vermischen“. Das nehmen wir, das deutsche Publikum, sogar in dieser Zeit hin. Weil es auf der Bühne gesprochen wird, nicht im Leben, einerseits. Weil die Schauspielerin Anne Lebinsky es so spricht und spielt, dass man es glaubt, andererseits. Wir verteufeln es nicht, weil wir überzeugt sind, dass es da ist, keine Phantasie ist und Teil der Handlung. Joan ist die Mutter eines Mörders. Er hat offenbar, das scheint juristisch erwiesen zu sein, ein jüdisches Mädchen ermordet, und Joan will ihren Sohn retten, egal wie. Selbst mit Antisemitismus als gesellschaftliche Waffe.
Der Regisseur Johannes Lepper hat diese Dialoge vorsichtig behandelt, sanft rhythmisiert und sozusagen eingehüllt in Zellophan. Er hat die Distanz zur Bühne leicht verstärkt, mit dem feuchten Boden, mit den regelmäßigen Lichtern aus dem Hintergrund, mit der Projektionsfläche oben, die viele Wolken und Nebel zeigt. Und mit den Kostümen von Sabine Wegmann, die schlicht sind, aber viel Amerika enthalten: Stetsons, Joans Perücke, die Schnitte der Anzüge. Dazu passt Doreen Becks Bartresen, der uns Hoppers „Nighthawks” denken lässt und an Chandlers Marlowe-Romane.
Clowns ohne Empathie
Das Spiel beginnt mit zwei Polizisten. Der eine (Tobias Lutze) beklagt sich über die Zeit, die Gesellschaft und das Verbrechen, der andere (Rainer Kühn) leidet fast stumm, fast deformiert vom Schweigen. Es sind zahlreiche Gemeinplätze zu hören, aber es fesselt. Denn die zwei sind Teil einer Maschine, sie können nicht aussteigen und sie können es nicht mehr aushalten. Sie sind Clowns und Menschen. Sie haben Intellekt aber keine Empathie. Und immer scheint im Gespräch der Fall auf, der Mord an dem jüdischen Mädchen. Er ist das Zentrum, aber er wird nicht genau erzählt, weil der Autor das nicht will. Mamet will Menschen, nicht Handlungen.
Das Schlussbild: Joan (Anne Lebinsky) und Mr. Charles, der Teufel (Tobias Lutze), Foto: Karl und Margot Förster
Dann tritt Joan auf, ihre Gesprächspartner sind ihr Mann Alan (Martin Plass), der Pfarrer (Rainer Kühn) und der Anwalt (Felix Strüven). Sie will nur den Sohn retten, alles andere ist egal, die Menschen, die Beziehungen, die Gerechtigkeit. Die anderen reagieren moralisch (Alan), argumentativ (der Anwalt), beschwichtigend (der Pfarrer). Sie haben keine Chance gegen diese empathielose Wut. Dann kommt Mr. Charles. Tobias Lutze ist ein Clown und er ist Satan persönlich. Das Gespräch ist voller grausamer Pointen, voller Abgründe, die uns hilflos machen und noch einmal die vorher schon geäußerte Kirchenkritik zusammenfassen.
Spiegel unserer Zeit
Insgesamt ist „Die Masken des Teufels“ ein Spiel empathieloser Clowns. Und es ist damit auch ein Spiegel unserer Zeit. Das Rechtssystem ist nicht gerecht, die gesellschaftlichen Institutionen auch nicht. Weil nicht miteinander geredet wird, ohne Regeln und Vorurteile. So bleibt nur – Geschäft. Es gibt Menschen, die das alles sehen, doch sie kommen nicht an gegen die Wut, die Oberflächlichkeit, die Selbstsucht und den Geschäftssinn. Man möchte Idealist sein. Und dann stört vielleicht sogar die Wendung zum Schluss, der Anschein, dass Joan selbst die Mörderin sein könnte. Das heißt doch: Alles ist Gedankenspiel im Gedankenspiel, oder? Spiel, nicht ernst. Das ist mir eine Wendung zuviel. Trotzdem:
„Die Masken des Teufels“ in Wiesbaden ist eine gut gemachte, hervorragend gespielte und wichtige Erstaufführung.