Wie sich Barbara Strozzi als junge, einzig weibliche Künstlerin in diesen Kreisen hatte behaupten müssen, in einer Zeit, da Musik und Verführung eng beieinander lagen, bleibt Spekulation – auch, ob sie tatsächlich als Kurtisane tätig war, wie ein überliefertes Gemälde mit entblößten Brüsten von ihr ahnen lässt. Ihr Leben im Jahr 2024 auf die Bühne eines großen Staatstheaters zu bringen, das erstmalig von zwei Frauen geleitet wird, ist jedenfalls ein passender Schachzug.
Künstlerische Salonkultur: Wie wäre das heute?
Salon Strozzi: Ein Sit-In auf der Hauptbühne mit Barockmusik von Barbara Strozzi (1619–1677) und Komponist*innen ihrer Zeit“ geht jedoch weit über feministische Perspektiven hinaus. Es ist ein Experiment zwischen Kammerorchester, sechs Darsteller:innen und dem Publikum, versammelt auf der Hinterbühne zur Frage: Wie könnte solch ein musikalisch-philosophischer Salon heute aussehen? Welche Themen würden verhandelt? Entstanden ist eine humorvolle Mischung aus Performance, Barockmusik und gesellschaftlichem Diskurs, die nebenbei deutlich macht, wie sehr Hausmusik unserem durchdigitalisierten Alltag fehlt.
Schon beim Eintritt auf die Hinterbühne spielt ein Instrumental-Ensemble des Hessischen Staatsorchesters (Cembali, Harfe, Violoncello, Laute), höchst filigran dirigiert vom Alte-Musik-Experten Christian Rohrbach. In sattgelben Kleidern (Kostüme: Solène Fourt-Meiche) stecken vier Sängerinnen und zwei Sänger: als sechs Barbaras führen sie uns moderierend und singend durch den Abend.
Sechs Barbaras erzählen vom Künstler:innendasein
Der Inszenierung von Maëlle Dequiedt gelingt es, alle musikalischen Nummern – überwiegend von Strozzi selbst oder ihren Zeitgenossinnen – einzubinden in kurze Moderationen, Sprachspiele, szenische Miniaturen, während die Barbaras alle Flanken des Publikums und später auch den Zuschauerraum bespielen, wir immer wieder Anekdoten aus dem Leben der Strozzi kennenlernen.
Da gibt Young Doo Park ein köstliches Rockstar-Solo, während er Strozzi-Bassläufe ins gekippte Mikrofon haucht. Silvia Hauer amüsiert mit einem unfassbaren Zungenbrecher über „Rhababer-Barbaras-Barbaren-Bar“ und sorgt später mit Monteverdis „L’Orfeo”-Arie für den musikalischen Glücksmoment des Abends. Auch Alyona Rostovskaya, Sarah Yang, Camille Sherman (mit ansteckender Spielfreude) und der südafrikanische Tenor Katleho Mokhoabane überzeugen, diskutieren teils in ihrer jeweiligen Muttersprache übers Künstlerdasein: Wie oft und woran stirbt man denn so auf der Bühne? Wie ist es, danach heimzugehen? Und woher kommt eigentlich all die männliche Gewalt? Wo wir doch 99 Prozent unserer Gene mit den Affen teilen? Die Bonobos, lernen wir, hätten begriffen, dass Sexualität nicht nur der Fortpflanzung, sondern vor allem der Lösung von Spannungen dient.
Dass im Finale die Barbaras mit Gorillamasken den prunkvollen Zuschauersaal bevölkern, nimmt all dem barocken Arienleid die Schwere und löst die Nähe zum Publikum, das nun flanieren darf, endgültig ein. Ein großartig-kleiner, unterhaltsamer Abend.