Foto: Ensemble in Jörg Mannes Ballett "Stirb du, wennst kannst". © Gert Weigelt
Text:Ulrike Lehmann, am 13. April 2011
Scheu vor Klischees bei der Bearbeitung seiner Wiener Kindheitserinnerungen, das ließ er wissen, habe der Hannoveraner Tanzchef nicht gehabt. So ist mit seinem Ballett „Stirb du, wennst kannst“ eine teils charmante, teils plakative Bebilderung von 13 Episoden entstanden, in denen der Exilwiener Jörg Mannes quer durch die Eigenarten der österreichischen Hauptstadt und ihrer Bewohner prescht. Nicht ohne sie kräftig zu parodieren.
Zwei gekrümmt über die Bühne humpelnde Mütterchen geben den Bewegungshabitus des Abends vor: die Überzeichnung des Alltäglichen – beim kollektiv-mürrischen Blick von der Fensterbank (die Bühne Hermann Feuchters ist ein großes, nacktes Halbrund mit Fenstern, angelehnt an den Wiener Narrenturm) oder beim Taubenfüttern im Ringelpiez. Traditionen werden verballhornt, wenn beim Mensurfechten die Degen als Phallus-Symbole im Takt zwischen den Beinen wackeln. Auch die katholische Kirche kriegt ihr Fett weg: Lüstern schwingen Priester die Beine um und über ihre (männlichen und weiblichen) Untergebenen, während knackig-rote Boxershorts perfide unter den schwarzen Roben hervorblitzen. Überhaupt wartet der Abend mit üppigen Kostümwechseln auf (Kostüme: Silke Fischer), die dem schönen Schein Futter geben. Zu Hans Mosers „Reblaus“-Lied schunkeln betrunkene Paare, und eine hektische Ordensverleihung verweist auf die Prunksucht der Wiener nach Titeln.
Ernster und stilistisch spannender gerät eine „Bruder Jakob“ Sequenz zum 3.Satz aus Mahlers 1.Sinfonie mit sanftem Marschieren und Reihenbildung, bis die ganze Compagnie mit dem Kopf am Halbrund der Hinterbühne gelehnt einfriert. Und immer wieder springt das Dirigat Stefan Klingeles unbekümmert von Walzer-Frohsinn zu Mahler-Pathos über. Ein Zwangsjacken-Ballett zu Strauß’ „Wiener Blut“ sorgt noch einmal für Belustigung: Ungelenk fliegen die viel zu langen weißen Ärmel umher, ehe ein selbstzerstörerisches Solo von Cássia Lopes den Klamauk beendet. Dass der Wiener Opernball schließlich im Chaos einer Massenprügelei versinkt, war absehbar.