Blut im Schritt, Blut im Schnee. Eine abgeschnittene Zunge, Haare und Fell. Archaische Motive gibt der weiße Kubus preis, projiziert werden sie mit moderner Handykameratechnik. Um verschiedenste Projektionen kreist „Eriopis“, der Stoff selbst ist eine Projektion aus mythischer Vergangenheit in die Gegenwart. Er folgt der Frage, was denn wäre, wenn Medea eine Tochter hinterlassen hätte. Würde diese heranwachsende Frau heute leben, was müsste sie erfahren und ertragen? Und hätte sie es leichter als ihre Mutter, in der alle nur das Fremde und Andere sahen? An diesem Ariadnefaden entlang entwickelt sich am Schauspiel Leipzig ein wilder Assoziationsreigen aus Text, Musik und Gesang um Gewalt und Zuschreibungen von Weiblichkeit, öffentliches Zur-Schau-Stellen in der Mediengesellschaft, Pubertät und Sexualität. Ließ man sich darauf ein, überwältigte es.
Medea ist ein klassisches Kolonialistenmotiv: Die Frau in der Zivilisationsferne unterstützt Eroberer Jason beim Raub des Goldenen Vlieses, flieht mit ihm ins griechische Kulturreich, um hier dann zu verkümmern. Bis heute wird sie auf den Bühnen in aller Regel als Zauberin, wilde Exotin und fremde Furie interpretiert, die rachsüchtig und brutal mordet. Wer sie ist, fragen wenige, oder nehmen sie als fühlendes Wesen ernst. Doch da hört das Schillern der Medea noch nicht auf. Es gibt eine Notiz, dass die tragische Frauenfigur eine Tochter namens Eriopis hatte. Was sie als zurückbleibende Überlebende zu erzählen weiß, hat sich die finnische Autorin E. L. Karhu überlegt. Schon ihr Stück „Prinzessin Hamlet“ (Regie: Lucia Bihler) überzeugte am Haus. War dort ihr Thema, wie eine Frau medial zum Star zugeschnitten wird, fächert sie es in „Eriopis“ weiter auf: Es geht ihr um die Produktion von Weiblichkeit, Mitleiden mit sowie das Weiden an einem Opfer, um Kritik an öffentlich produzierter Oberflächlichkeit und spätkapitalistischem Erfolgsmantra und Stehaufmännchenkitsch.