Foto: Das Ensemble spielt (v.l. Burkhard Finckh, Lisa Bräuniger, Christoph Müller) © MINZ & KUNSTphotographs
Text:Manfred Jahnke, am 25. Februar 2019
Was für ein Spielzimmer! Eine Dachbodenkammer, vielleicht mit einer großen Hobelbank auf der linken Seite, auf der rechten steht vorne eine große Kiste, mit Kunstrasen drauf, dahinter gestapelte alte Koffer. Bühnenbildner Bernhard Ott spart nicht an liebevollen Details, von einem alten verrosteten Dreirad über die Hobelspäne auf der Bank bis zu einem kleinen Gestell mit vertrockneten Pflanzen. Nun fordert „Die besten Beerdigungen der Welt“, ein humorvolles Bilderbuch des Schweden Ulf Nilsson über das Sterben, allerdings auch eine Fülle an Requisiten: Kästchen in verschiedener Größe, Holzbretter, Farbsprays und viele andere Kleinigkeiten. All das bringt Ott in versteckten Kisten oder auf dem Hobeltisch unter. Darüber wölbt sich ein „Himmel“ aus lauter Glühbirnen, von denen am Anfang aber nur die Hälfte brennt.
Wenn man so ein Spielzimmer hat, dann muss man auch spielen. Aber das ist gar nicht so einfach. Lisa Bräuniger, Burkhard Finckh und Christoph Müller, die durch den Zuschauerraum auftreten, langweilen sich zunächst. Langeweile auf der Bühne zu spielen, ohne das Publikum zum Gähnen zu bringen, ist noch weniger einfach. Da führt Müller einen stummen Kampf mit einer Glühbirne, da starrt Bräuniger mit imposanter Ausdruckslosigkeit ins Publikum, da steht der Musiker Finckh mitsamt seinen drei Instrumenten verloren im Raum, ein so trostloses wie humorvolles Bild. Der Regie von Sascha Flocken gelingt es, die Langeweile als Spiel zu setzen, eingebunden in kleine Slapsticknummern. Bis dann Ester eine tote Hummel findet. Nun startet ein Feuerwerk der Komödiantik, die sich aus einer genauen Beobachtung dessen speist, was Kinder tun: nämlich alle Gegenstände in ihrer Umgebung ins Spiel zu bringen.
In seinem Bilderbuch erzählt Ulf Nilsson davon, wie der ängstliche Ich-Erzähler, der auch ein Dichter ist, von Ester ins Spiel hineingezogen wird wie schließlich auch Putte, ihr kleiner Bruder. Mit der ersten Bestattung intensivieren sich die Begräbnisse, man geht auf die Suche nach toten Tieren, gründet ein Beerdigungsinstitut und geht schließlich auf die Suche nach weiteren toten Körpern, wobei ein plattgefahrener Hase denn das größte ist. Die Illustrationen von Eva Eriksson im Buch zeigen eine Welt im Garten, wenn auch mit Hobelbank. Auf der Bühne bleibt das Spiel ganz auf dem Dachboden. Alles, was im Bilderbuch realistisch erscheint, wird von Sascha Flocken und seinem Ensemble in pures Spiel verwandelt. Der Eintritt in die heimliche Lichtung, auf der die Begräbnisse stattfinden, wird beispielsweise durch einen Bilderrahmen angedeutet, der Weg dorthin ritualisiert, als wiederholter Slapstick mit kleinen Variationen. Die toten Tiere sind einfache Spielrequisiten. So stellen etwa drei Krawatten tote Fische aus dem Kühlschrank dar. Das hat Witz und lädt geradezu zum Mitspielen ein. Dabei werden die Beerdigungen selbst immer stärker ritualisiert, die Gedichte des Ich-Erzählers werden von Finckh vertont und von allen gesungen, die „Heiligkeit“ des Todes wird nicht nur beschworen, sondern findet eine Form.
Man könnte aus dem Vorherigen schließen, dass hier ein wichtiges Thema, der Tod, auch die Angst vor ihm, zerspielt und damit verharmlost wird. Dem ist nicht so. Wenn auch der Zugang ein rein spielerischer ist, so bleibt der Respekt vor den toten Tieren immer kenntlich. Christoph Müller lässt mit minimalem Aufwand einen ganzen Kosmos entstehen, Lisa Bräuniger genießt mit Power ihre Leitrolle, selbst Burkhard Finck in seiner Schüchternheit passt sich in das Ensemble ein. Und natürlich fordert die Dramaturgie ein, dass aus Spiel auch Ernst wird. Da sehen die Drei eine Amsel gegen das Verandafenster fliegen und mit offenem Schnabel und kurzem Zucken sterben. Und die Inszenierung von Sascha Flocken hält inne, etwas vom Hauch des Todes wird tatsächlich spürbar.
Ach ja, das ist wohl selbstverständlich, morgen werden die Drei etwas ganz anderes spielen…