Mutter und Tochter sitzen am Küchentisch. Nicht Gänseblümchen oder Rosen stecken in der Vase vor ihnen, sondern Disteln. Auf dem T-Shirt der Tochter steht „Boring“. Aus dem Off nimmt man irgendwann das Rauschen von Wasser wahr. Doch Blut ist… Kiri Haardt beginnt von ihrer Herkunft zu erzählen, von ihren Großmüttern in England und Schottland; hinter ihr sieben Türen, noch sind alle geschlossen, bis auf eine, die einen luftigen Durchgang aus in die Rahmen gehängte Plastikstreifen bietet. Die Tochter kommt dazu und vor einem auf die Türen projiziertes Kochvideo, in dem Fleisch geschnitten wird, beginnen sie mit Gesten zu kommunizieren, die sich immer mehr zu einem Warmup für Tänzer entwickeln. Mit „More space“ gibt die Mutter zunächst den Ton an und schon nimmt sich die Tochter immer mehr Raum. Sie interviewt die Mutter zu ihrem Weg als Tänzerin. Kiri Haardt zeigt die Stationen ihrer Karriere auf witzige Weise mit kleinen Ausschnitten der Choreographien, an denen sie beteiligt war, und spickt sie mit gelebten Beziehungen dieser Zeiten. Amüsiert folgt das Publikum ihren zum Teil pathetisch begeisterten wie ablehnenden Erinnerungen.
Doch alle Dinge haben in einer Beziehung zwei Blickwinkel. Und so setzt sich schließlich Geraldine ans Klavier, um mit einem Lied ihre Sicht auf diese Jahre preiszugeben. Und das ist nur der Anfang. Zu Technoklängen kommt sie in Aktion und schon knallen die Türen, denn sie stehen für die Puzzlestücke aus Menschen und Lebensorten in einem verwirrenden Netz einer Patchworkfamilie. Ein Tanz-Dialog zweier Generationen, zweier wie magisch miteinander Verbundenen beginnt.
Tänzerisch spannend sind die immer neuen Variationen, in denen beide parallel das Gleiche tanzen, aber aufgrund ihrer Generation einen völlig unterschiedlichen Ausdruck erzielen. Kiri Haardts Bewegungen sind, bis in die Fingerspitzen, die einer professionellen Tänzerin mit dem Habitus einer reifen Frau. Geraldine Rummels Tanz dagegen zeigt die unverblümte Frische und Direktheit einer 18-Jährigen; eine Energie und Bühnenpräsenz, die mitreißend ist. Mit diesem Gegensatz spielt die Choreografie auf immer neue Weise. „Love is a battlefield“ kommt einem ein Popsong der 80er Jahre von Pat Benatar in den Sinn.
„Braveheart“, Mel Gibsons Kinofilm, ein im mittelalterlichen Schottland verortetes opulentes Schlachtenepos, bricht eine Lanze für das unbändige Verlangen nach Selbstbestimmung und Freiheit. In „Bravehearts“ in Bremen gehen zwei Frauen – Mutter und Tochter – unerschrocken und mutig aufeinander zu. Konfrontativ geben sie ihre Beziehung mit ihren eigenen, unterschiedlichen künstlerischen Vorstellungen auf der Bühne preis, kämpfen um Verbundenheit und Autonomie und berühren mit einer Offenheit, die nicht nur Sonnenseiten preisgibt.
Dies alles endet mit einem Textausschnitt aus „Crave“ von Sarah Kane – einer Liebeserklärung an die Mutter, die unter die Haut geht: „Ich will (…) vergessen wer ich bin und versuchen dir näher zu kommen weil es schön ist dich kennen zu lernen und die Mühe sehr wert und (…) auf dich einreden und an dir vorbeireden und mit dir schlafen um drei Uhr morgens und irgendwie irgendwie etwas mitteilen von der / überwältigenden unsterblichen übermächtigen bedingungslosen allesumfassenden herzbereichernden verstanderweiternden andauernden niemalsendenden Liebe die ich für dich empfinde.“