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Wie Fische ohne Wasser

Nicki Liszta: Platonia

Theater:Theater Rampe, Premiere:06.06.2018 (UA)

Den Förderpreis des George-Tabori-Preis 2018 hat die Gruppe „backsteinhaus produktion“ aus Stuttgart zwar nicht bekommen, jetzt bringt sie aber mit Furore eine neue Produktion im Theater Rampe heraus: „Platonia“, „Physical theatre“ vom Feinsten. Nicki Liszta, die Leiterin der 2008 gegründeten Gruppe, entwickelt zum Thema Überbevölkerung der Erde eine Choreographie, die mit den Elementen Wasser und Licht arbeitet. Das Spiel beginnt schon im Foyer, da führt Isabelle Gatterburg die verschiedenen Möglichkeiten eines Selbstmords vor. Ein Pistolenschuss kracht und sie fällt um, um gleich wieder aufzustehen. Gift, Rasierklingen, Strick werden nacheinander als weitere Möglichkeiten angeboten.

Das Publikum wird in den fast dunklen Zuschauerraum eingelassen, nur ein Neonlicht blitzt immer wieder auf. Und an den Seiten flimmern in Monitoren über die ganze Vorstellung hinweg sich ändernde Zahlen: Drei Zahlenkolonnen zeigen zum einen den sich ständig verändernden Stand der gegenwärtigen Weltbevölkerung an, zum anderen die Zahl der Toten und die der Geburten, die die erstere bei weitem überflügelt.

Wenn das Licht heller wird, sieht man in einem Raum, der nach hinten von weißen Vorhängen abgeschlossen wird. Die Seitenwände sind gekachelt, auf der rechten Seite ragen zwei Wannen in die von Nina Malotta und Samuel Hof geschaffene Bühne, links stehen zwei Umkleidekabinenschränke mit einem Summknopf, der an eine Arbeitszeitstempelmaschine erinnert, später aber noch ganz andere Funktionen erfüllt. Ganz rechts hat der Musiker Heiko Giering seinen Platz mit Klavier und Soundmaschine. Für diese Produktion hat er eine Komposition geschaffen, die die Tänzer vorantreibt. Die Musik changiert dabei zwischen schnellem Drive und lyrischen Momenten. Darüber montiert Giering Töne aus dem Alltag zu Geräuschkulissen. 

In diesem Spiel- und Tonraum sieht man Gatterburg sich einen Bauch aufpumpen, aus dem dann Fische herausgezogen werden: der Bauch verschwindet. Wie schon bei der Selbstmorddemonstration wird der Widerstreit zwischen den immer mehr werdenden Menschen auf der Welt und einer Natur, die in dieser Welt immer weniger Platz findet, szenisch sinnfällig. Wie ein roter Faden durchzieht die Fischmetapher die Aufführung. Da tritt ein Tänzer mit Fischkopfmaske auf oder noch mehr Fische erscheinen, ihrem Element, dem Wasser, entzogen. Spannend, wie Nicki Liszta dieses Thema durchhält und ihr vierköpfiges Tanzensemble in immer neue Volten treibt. Akrobatisch und mit großer Schnelligkeit bewegen sich Steven Chotard und Martin Mauriès durch den Raum mit viel Bodenberührung und starkem körperlichen Einsatz: Contact Improvisation und Formen des modern dance kreuzen sich und vereinigen sich zum Ausdruck einer Kraft, die Optimismus ausstrahlt. Aber auch Schlaffheit können diese Körper aushalten. Ariel Cohen, die schon in den letzten Produktionen mit Liszta zusammengearbeitet hat, erinnert in ihrem weißen Kostüm an eine Ärztin, die die Welt zu heilen versucht. Ihre Bewegungen sind fließend und weich. Darüber hinaus hat sie, wie sie in zwei Songs zeigt, eine schöne Stimme. Sie sitzt dabei abseits, wie eine kleine Magierin.

Ausgerollte Plakate mit unterschiedlichen Themen wie „too much“ oder „fatal natal“ illustrieren das Grundthema. Zum Schluss hin entwickelt sich ein utopischer Raum. Im Dunkel werden die weißen Tücher, die die Bühne nach hinten abgrenzen, zu „Säulen“ gebunden, die an Arkadien denken lassen, die Tänzer geraten in Ekstase und eine Frau wird in ihrer Wanne mit Eiswürfeln und Fischen überschüttet. Ein starkes Bild im koproduzierenden Theater Rampe.