Foto: Tänzerisch wartende Reisende in "Waiting Room" an den Bühnen Gera © Stephan Walzl
Text:Ute Grundmann, am 10. Juni 2014
Tänzerinnen drehen sich, jede in einem Lichtkreis liegend, wie die Zeiger einer Uhr – Zeit, die vergeht, beim Warten auf die Abreise oder die Ankunft von Freunden. Diese Zeit, das Abreisen und Ankommen, Warten und sich Begegnen, hat Silvana Schröder zum Thema ihres neuen Balletts mit Orchester gemacht. „Waiting Room“ wurde im Großen Haus in Gera uraufgeführt, mit der Musik des britischen Komponisten Tom Hodge, ein Auftragswerk des Theaters.
Andreas Auerbach (Bühne, Kostüme, Video) hat die typische Flughafenlobby auf die Bühne gestellt, Bänke, den Securitybereich, einen Aufzug, viel freien Raum und rechts eine Toilette. Vor der bildet sich schon mal eine Not-Schlange, stürzt ein verspäteter Passagier heraus, den Rasierschaum noch im Gesicht. Es sind solche Alltagsbeobachtungen, die Silvana Schröder in Tanz, in Bewegung umsetzt: Da wird viel mit, um und auf Rollkoffern getanzt, die auch mal Stütze für Hebefiguren sind. Am Aufzug gibt es erst Video-, dann echtes Gedränge, tanzen drei raus, vier rein. Es gibt auch ein Paar – die „Frau im roten Kleid“ (Alina Dogodina) und „Hero“ (Hudson Oliveira) -, das sich trifft, entfernt, wieder trifft. Vor allem aber geht es um die anonyme Masse der Passagiere, getanzt vom Thüringer Staatsballett, die tun, was man am Flughafen so tut: wogend auf den Bänken sitzen, beim Securitycheck durchgelassen zu werden oder auch nicht. Das ergibt immer wieder große Formationen, mal wuselig, mal elegant, dazwischen Soli mit mal weitschwingenden, mal stakkatohaften Bewegungen.
Die Szenen, Bilder heißen „Kissing Zone – Kuss-Zone; Verabschiedung vor der Reise“, „Information Overload – Informationsüberfluss“ oder „Cleaners Lament – Das Reinigungskommando weckt die wartenden Passagiere“, sie gehen, fließen ineinander über, bleiben aber einzelne Momentaufnahmen. Wenn der erwartete Flug abgesagt wird, greifen alle zum Handy, werden SMS eingeblendet. Wenn die Passagiere nach der Not-Übernachtung am Flughafen geweckt werden, gibt es eine lange Szene mit Waschritualen und Geräuschen: Das Pfft der Deos, das Schrubben der Zähne, Gähnen. Und natürlich werden Flieger-Figuren getanzt.
Die Musik, die Tom Hodge mit diesem seinem ersten großen Orchesterwerk dazu komponiert hat, nimmt oft sinfonisch weitschwingend die Tanzbewegungen auf oder stößt sie an; die Klänge können aber auch mit Bläsern und Schlagwerk sehr rhythmisch und treibend sein. Eingängig, oft gefällig ist diese Musik, die das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera unter Thomas Wicklein dem Tanz angemessen unterlegt. Nur manchmal, so am Schluß, als der Flug endlich losgeht, macht die Musik mehr Welle, als es das Stück hergibt. Denn zwingend ist das alles nicht, ist viel Tanz mit wenig Handlung, es bleibt 90 Minuten lang bei freundlichen bis komischen Episoden vom Verrinnen der Zeit.