Gleich an der ersten Station, dem Jugendzimmer der jungen Frau, finden sich viele Spuren. Ein Plakat von „Twin Peaks“, das später noch einmal auftaucht, hängt an der Wand, Miesmuscheln, die sich auch an anderen Orten wieder finden, zieren das Bord, ein Tagebuch liegt auf dem nicht gemachten Bett. Eine Schublade ist verschlossen, der Schlüssel findet sich in einem Blumentopf. Schon merkwürdig, wie schnell sich detektivische Freude beim Suchen herstellt, wie schnell miteinander Vermutungen abgewogen werden. Der Titel dieses immersiven Theaterprojekts erfüllt sich: Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Miriam Klimaaktivistin geworden ist. Sie hadert mit der Tatenlosigkeit der Politiker, deren sprachlichen Vermüllungen. Einer von ihnen ist für sie erreichbar: Rudolph Paul Laudenbach. Prompt findet man auf der nächsten Litfaßsäule dessen Wahlplakate, aber auch Hinweise auf die Aktivistengruppe ECO, wie das gleichnamige Computerspiel, in dem neue Zivilisationen aufgebaut werden.
Die Informationen ergeben, dass Miriam sich in ihrer Verzweiflung ob der Zerstörung der Welt – aus dem Radio tönen ständig Notstandsmeldungen – immer mehr radikalisiert hat, in einem Zimmer findet man ein Giftfläschchen und Pläne von Gebäuden, die drei Optionen eruieren: Wasser im Wasserwerk vergiften, Laudenbach erstechen oder ein Kohlekraftwerk zerstören. Anschließend gelangt man in einen Raum, in dem über vier Fernseher Naturkatastrophenfilme laufen, die Pläne liegen abermals aus, diesmal mit dem Vermerk von Abstimmungsergebnissen: Es trifft das Kohlekraftwerk. Und schon meldet sich über ein kleines Funksprechgerät Miriam selbst (mit der Stimme von Sarah Siri Lee König): Sie sei im Kohlekraftwerk und brauche unsere Hilfe… Und dann schaltet sich auch noch die Mutter (von Sabine Martin gesprochen) ein. Der Zwang, sich nun zu Miriams Verzweiflungstat verhalten zu müssen, löst eine heftige moralische Diskussion in der Gruppe aus. Wir haben nicht versucht, Miriam von ihrem Anschlag abzuhalten. Voller Zweifel, ob wir uns richtig verhalten haben, fühlen wir uns alle nicht mehr wohl in unserer Haut.
Am Ende geht es wieder in einen Theaterraum. Andreas L. Mayer, der alle Installationen gestaltet hat, versetzt uns nun in eine paradiesische Kunstlandschaft. Auf einem Fernseher sind Ausschnitte aus einer UNO-Sitzung zu sehen, in der ein junges Mädchen für gutes Klima kämpft, dazu sich ständig steigernder Discosound und kreisende farbige Schweinwerfer, auf dem grünen Kunstrasen liegt ein Abschiedsbrief. Und dann ist der Rundgang zu Ende. Obwohl wir – eine Gruppe aus Erwachsenen – das Bedürfnis haben, mit den Machern zu reden, werden wir allein entlassen. Das ist hoffentlich bei Menschen ab 13 nicht so, denn dieses Theaterprojekt löst Fragen aus, die nicht allein in der Kleingruppe gelöst werden können; die Produktion generiert insofern Redebedarf, als dass sie die Kritik junger Menschen an der Haltung von Politikern aufnimmt, die untätig die Konsequenzen der Klimakatastrophe leugnen. „Immersiv“: einmal wirklich spannend erlebt.