Riley Watts in der Neuproduktion der Forsythe-Company "Now This When Not That".

Wer weiß schon, was zu wünschen wäre

William Forsythe: Now This When Not That

Theater:Ruhrtriennale, Premiere:05.10.2011 (UA)

Kürzlich brachte der große Theatermagier Robert Wilson im SZ-Interview zu seinem 70. Geburtstag ein Schaffensmerkmal des Künstlers ganz unverhohlen auf den Punkt: „Cézanne hat immer wieder das gleiche Stillleben gemalt. Proust hat sein Leben lang an einem Roman geschrieben. Das Lebenswerk eines Künstlers ist ein einziges Werk, ein Körper.“ Und daher solle man Wiederholungen nicht scheuen.

Unter diesem Licht betrachtet, war die jüngste Uraufführung William Forsythes, die seine Company im Rahmen der Ruhrtriennale in die Bochumer Jahrhunderthalle führte, ein weiteres Puzzlestück im Gesamtwerk des Choreografen. Eines, das Erinnerungen wachruft: Wieder ist da diese Frau, die uns via Mikroansprachen erläuternd durchs Stück geleitet und einen Plot entwirft, an dem zu zweifeln wir aufgefordert sind („This is the part, that appears to be the beginning. But it’s an emergency.“). Wieder werden Theaterillusionen gebrochen (Dunkelheit, Stille), werden Publikumserwartungen untergraben (merke: nichts ist, wie es scheint!) und sorgen brabbelnde Tänzer für einen rhythmischen Klangteppich. Über diesen strukturellen Wiederholungen experimentiert Forsythe und sein Klangmacher Thom Willems diesmal vor allem akustisch: mit Insektenflirren, Vogelgezwitscher, Maultrommel- und Kuhglockenlärm (Head Bells aus Bronze und Seil dienen als penetrant-eingesetztes Schlagwerk). Mit kleinen Pfeifchen um den Hals oder Maultrommeln fiepen und flirren die Tänzer ihre eigenen Rhythmen.

Anzeige

Auch andere, quasi handgemachte Geräusche dominieren den (beim Laufen so typisch aus der Hüfte schwingenden) eckig-marionettenhaften Tanz: Ein ulkiges Quietschballett wird von der rhythmischen Bodenreibung der Turnschuhe untermalt; zwei Tänzer rutschen liegend minutenlang rückwärts, die Handflächen laut über den Boden schiebend.

Ganz nebenbei verfliegen tausende von Jahre, dieser ominöse Emergency zwingt nur halbherzig zum Umdenken, und irgendwie hätte das auch alles vermieden werden können. Wünschen wir noch? Wollen wir noch wünschen? Nein, eigentlich nicht. Das wissen wir ungefähr ab der Hälfte (45. Minute), danach plätschert der verheißungsvoll gestartete Abend unfertig vor sich hin. Hier und da dröhnt es bedrohlich laut, dunkelverschleierte Gestalten mischen den bunt-fröhlichen Haufen auf, zwei von ihnen üben – von grauen Gazevorhängen begrenzt – offensichtlich unmotiviert ein paar Schrittfolgen ein. Anderssein? Bedrohung? Selbstüberwindung? – Am Ende, nach 10.000 Jahren, wachen alle auf „exactly where they are“. Wenn das alles nur ein Traum war, hat er wenig Erkenntnis gebracht.