Foto: "EInsam lehnen am Bekannten" in einer Neuauflage am Theater Konstanz © Ilja Mees
Text:Manfred Jahnke, am 5. Juni 2015
In „Einsam lehnen am Bekannten“, 2008 als Buch erschienen, 2009 mit dem Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg ausgezeichnet, umkreist Felicia Zeller in kurzen Prosatexten künstlerische Existenzen im Milieu von Berlin-Neukölln. In grotesker Überspitzung und mit sicherem Gefühl für Pointen erzählt die Autorin Geschichten um die Kneipen in der Hasenheide, Müttern oder Autorinnen mit Schreibblockaden. „Vielleicht ist es aber auch, dass ich mich zur falschen Zeit stets am falschen Ort aufhalte.“, resümiert sie gegen Ende. Der Widerspruch dazwischen, zugleich Beobachterin und Betroffene zu sein, führt zu Komik, hat aber auch auch tragische Aspekte.
Während am „Heimathafen Neukölln“ „Einsam lehnen am Bekannten“ 2011 zu einem „performativen Großstadt-Tingel-Tangel“ mutierte, entwickelt nun Sascha Hawemann am Theater Konstanz eine ganze eigene Fassung, die bei Beibehaltung der grotesken Eigenarten des Textes diese in die Frage nach der Haltung einer Generation der über Vierzigjährigen zur „Revolution“ stellt: „Wie gut, sagen sie, dass es in Berlin wenigstens noch Revolutionäre gibt, saufen und meinen sich selbst.“ In einem Vorspiel zeigt Hawemann auf der dreiteiligen weißen Wand im Hintergrund der Bühne Videos vom Sturz Allendes 1973 bis zum brennenden Twin Tower in New York 2001. Auf der Bühne agieren die drei SpielerInnen in ihren Jogginganzügen mit der immer gleichen Empörungsgeste. Diese werden in ihrem Hohlsein entlarvt: Hauptsache, es passiert etwas in der Welt, aber es betrifft nicht wirklich, die eigene Befindlichkeit ist wichtiger als Alles, was in der Welt geschieht.
Aus der Perspektive dieses Vorspiels erhalten die disparaten Geschichten ihre Bedeutung. Sie führen die Selbstbespiegelung einer künstlerischen Intelligenz vor, die sich in den eigenen Unzulänglichkeiten suhlt. Die grotesken Übersteigerungen der Vorlage setzt Hawemann in ein ungeheures Spieltempo um, die die disparaten Geschichten mit ihren verschiedenen Formaten vom Erzählen bis zum Monolog mitreißt. Das gelingt zum Einen, weil er mit Jana Alexia Rödiger, Alissa Snagowski und Jonas Pätzold über Schauspieler verfügt, die die ständigen Brüche und schnellen Rollenwechsel bravurös meistern. Das präzise Spiel mit der Komik und der Tragik der vorgeführten Figuren wirkt wie ein schnelles Ping-Pong-Spiel, wo jeder Schlag trifft. Zum anderen wird dieses Tempo ermöglicht durch das Bühnenbild von Regina Fraas, das zum Publikum hin durch drei Schaukästen abgeschlossen wird; der mittlere ist verschiebbar, um die mittlere Spielfläche als Hauptspielort freizugeben. An den Seiten der Bühnen stehen jeweils zwei Plastikstühle und zwei altmodische Stehlampen, die an kleinbürgerlichen Mief denken lassen, an der rechten darüber hinaus die unerlässliche Matratze und eine Spanplatte, die im Spiel zum Kunstwerk stilisiert wird. Diese Requisiten werden in das Spiel schnell mit einbezogen oder beiseite gestellt. Und spielgeln so zugleich die Armseligkeit einer künstlerischen Bohème-Existenz wider. Sascha Hawemann ist eine starke Inszenierung gelungen.