Foto: Ensemble-Mitglieder des Meininger Staatstheaters in "Waldstück" © Christina Iberl
Text:Ute Grundmann, am 10. April 2022
Der Wald schwebt grün über der Bühne und schweigt. Sonst wird es ziemlich laut im Forst. Zwei Bäumchen haben sich zum Scheinwerfer an der Seite verzogen, zwei ihrer Kameraden haben es auf die Szene geschafft. Die aber muss erst mal von der Hexe mit dem Akkuschrauber standfest gemacht werden, denn im ach so stillen deutschen Wald geht es ziemlich rund. Ausgedacht hat sich das der Berliner Autor Björn SC Deigner und im Auftrag des Staatstheaters Meiningen ein „Waldstück“ verfasst. Nach der Ausgrabung von Tennessee Williams‘ „Auf der Flucht“ nun also eine Uraufführung in den Meininger Kammerspielen, inszeniert von Schirin Khodadadian.
Unter dem hübsch doppelbödigen Titel kann man sich allerlei vorstellen: Naturidylle, gern besungen; Zuflucht für Mensch und Tier, nur möglichst nicht gemeinsam; Klimaretter, wenn man die Bäume denn stehen lässt. Was dann auf die Bühne kommt, wirkt, als hätte der Autor „Wald“ gegoogelt und an alle Stichworte ein zustimmendes Häkchen gemacht.
Da robbt, mit weißem Pelz und roten Stöckeln angetan, Silvie (Carmen Kirschner) durch Bäume und Bühne, verhasster Papa hat ihr ein Waldstück vermacht, nun muss eine Axt zum Roden her. Die zieht ein stocksteifer Förster (Lukas Umlauft) aus dem ausgestopften Overall-Bauch und predigt Ordnung für jede Tannennadel. Natürlich stapft auch eine Umweltaktivistin (Emma Suthe) mit GPS durchs Holz, suchen der verheiratete Literaturprofessor Felix (ebenfalls Lukas Umlauft) und seine geliebte Studentin Birgit (Emma Suthe) eine Stunden-Hütte, um der Stadt-Qual zu entrinnen. Und zur schwarzgewandeten, blonden Hexe (Evelyn Fuchs) gesellt sich noch Druide Cedric (Vivian Frey). Der will „zusammenbringen, was zusammengehört“, auf dass der Nebel walle; außerdem will er unter dem Radar des Systems durch, das uns knechtet – da hat es Bambilein schon längst von der Bühne gehauen.
Unverbundene Assoziationen
Autor Deigner häkelt alles zusammen, was nicht bei drei auf dem Baum ist: Thüringer Wald, Rennsteig und sein Lied, Comedy und Märchen, Smartphone-Blödheit, Esoterik und was sonst so des Wegs kommt. Und Regisseurin Schirin Khodadadian setzt es im Laubsäge-Look dieses teutschen Waldes nicht zusammen, sondern hintereinander. Folkloretänzchen kommt zu Sinndiskussion, waldaffines Liedgut trifft auf ego-irritierte Aktivistin. Der Druide wanzt sich natürlich von rechts an seine Opfer an, die wie er unter den „Intuitionen des Staates“ leiden. Kein Wunder, dass Bambi da als Waffe gebraucht wird, auch wenn die Zither noch so barmt.
Eigentlich wollte Deigner von entwurzelten Biografien erzählen – so steht es im Programmheft –, von Städtern, die sich im Dickicht verirren. In den knapp zwei Bühnenstunden geht aber vor allem der rote Faden verloren. Fünf Schauspieler teilen sich in mindestens 13 Figuren, der laubgekrönte Menschenbaum wird zum Specht, der Wolf „schiebt“ auch vorbei, und „der Wald steht nur dem still, der nicht hören will“. Sagt das nun die Hexe oder doch Zschetsche?
Egal! Gegen Ende entpuppt sich der Kommunisten-Jäger als Professor im Liebelei-Hemd, der das Hohe Lied des Stadtlebens singt. Die Hexe rettet zwar das Märchen, nicht aber das Waldstück.