Problematisches Theaterstück
Man kann Shakespeare zwar zugutehalten, dass der jüdische Geldverleiher Shylock in seiner Komödie „Der Kaufmann von Venedig“ eine charakterliche Tiefe besitzt und nicht grundlos böse ist, sondern von der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Man kann das aber auch leicht ausblenden und stattdessen das Klischee des raffgierigen, heimtückischen Juden sehen. Und angesichts solch weitverbreiteter Codes wie Hochfinanz oder George Soros gibt es wohl genug Menschen, die das reinlesen möchten.
Auch beim Lausitz Festival war man sich dieser Probleme bewusst, erklärt der Intendant Daniel Kühnel. Dennoch wollte er das Stück in der Lausitz zeigen. Denn für ihn geht es um Folgendes: In einer Welt, in der alles mit Geld geregelt wird, streiten sich zwei Menschen, die noch Ideale haben.
Shakespeare in reduzierter Fassung
Also wurde der Dramaturg Malte Ubenauf, der bereits im Vorjahr zusammen mit Regisseur Stefan Pucher an „Julius Caesar“ in Weißwasser gearbeitet hatte, mit einer neuen Fassung für zwei Personen beauftragt. Leider ist es ihm dabei nicht gelungen, den Konflikt im Stück (über Ideale) zu schärfen und den Konflikt mit dem Stück (Antisemitismus) zu entschärfen.
In den ersten zwei Dritteln des Stücks treten Katharina Marie Schmidt als Portia und Samuel Weiss in den Rollen der drei Männer Antonio, Bassiano und Shylock nach vorne und spielen ganze Szenen allein. Einfach gesagt, wird das Stück in einer gekürzten Fassung einfach nachgespielt. Hin und wieder wird das unterbrochen von Zitaten von Gertrude Stein über Geld und dessen Wert.
Faszinierender Spielort in der Lausitz
Mit einem großen Pfund (!) kann die Produktion allerdings wuchern: In Weißwasser wurde um den Lehrofen gespielt, wo früher Glaskolben geblasen wurden. Es ist eine kleine Halle mit einem weißgestrichenen Bau mit lauter Rundfenstern (natürlich ohne). Ausstatter Lugh Amber Wittig setzt mit zahlreichen Scheinwerfern und Lichtelementen den Raum immer wieder geschickt in Szene. Mal wird alles in blaues Licht getaucht. Dann wird mühevoll eine Metallplatte hochgezogen und aus der Öffnung dahinter strahlt ein roter Scheinwerfer. Und immer wieder rücken Scheinwerfer die Spielenden in den Fokus. Eigentlich wurde mehr mit dem Raum als mit irgendetwas anderem gespielt.
Während sich das Publikum sich noch zu den atmosphärischen Klängen von Christopher Uhe durch die Industriehalle bewegt, geht das Licht in einem kleinen Seitenraum an und Katharina Maria Schubert und Samuel Weiß schauen aus dem Fenster. Sie sprechen aus dem Fenster heraus, stellen sich auf die Erhöhungen im Raum und sprechen ihren Text – mit einer großen Klarheit, aber mit wenig Gestaltungsideen. Wer diese Portia oder dieser Antonio sein soll, bleibt unklar.
Gleißender Zorn im „Osten“
Stark wird es erst gegen Ende, wenn Shylock (der unnötigerweise immer noch als Jude definiert wird) vor Gericht zieht. Immer mehr redet sich Samuel Weiß – inzwischen im Dialog mit Katharina Maria Schubert als Portia, die sich als Richterin ausgibt – in Rage. Er will weder das Doppelte der geliehenen Summe zurück noch das 3-hoch-30-fache, er will sein Recht. Er will gesehen, wahrgenommen und anerkannt werden. Man denkt an den „Jammerossi“, die ganze Anti-Stimmung. Man denkt an Immobilien im „Osten“, die nur selten Leuten aus dem „Osten“ gehören – die dann wiederum immer wieder Ratschläge hören, wie sie investieren sollten.
Doch diese Wut verschwindet bald, als sich Shylock den Tricksereien beugt und sich schließlich noch zum Christen taufen lassen soll. Auch dieses aus der Zeit gefallene Ende zeigt, dass es dem Team um Pucher an Mut gefehlt hat, mehr mit der Vorlage zu spielen und sich wirklich auf den Konflikt einzulassen.