Izabela Matula in der Titelrolle von "Luisa Miller" an der Oper Wuppertal

Weiße Nacht

Giuseppe Verdi: Luisa Miller

Theater:Oper Wuppertal, Premiere:08.12.2018Autor(in) der Vorlage:Friedrich Schiller: Kabale und LiebeRegie:Barbora Horáková JolyMusikalische Leitung:Julia Jones

Verdis „Luisa Miller“ wird an der Wuppertaler Oper zum Sängerfest.

„Luisa Miller“, Verdis 14. Oper nach Schillers „Kabale und Liebe“, ist ein klassisches Übergangswerk. Die Titelfigur etwa ist, mit ihrer subtilen Dynamik, ihren Koloraturen und Rouladen und der von der Interpretin geforderten überreichen Farbpalette, eine genuine Belcantoschöpfung aus dem Geist Bellinis und Donizettis. Und kennt doch bereits den direkten, ungeschönten Aufschrei der geschundenen Kreatur. Izabela Matula macht nicht nur diese Diskrepanz in Wuppertal leidenschaftlich hörbar. Sie spielt geradezu mit den gewaltigen Anforderungen ihrer Partie, scheinbar mühelos, mit bemerkenswert gerundeten Tönen, stets kunstvoll, aber nicht einen Moment affektiert. Und führt damit ein Sängerfest an.

Verdi hat dankbarere Partien für Tenor geschrieben als den Rodolfo (der aus Zensurgründen nicht Ferdinando heißen durfte). Aber wenig musikalisch anspruchsvollere. Rodrigo Porras Garulo führt seinen klangschönen, leicht bronzen klingenden Tenor jederzeit auf Linie und bricht gelegentlich, besonders in den Finali des ersten und dritten Aktes, in ein sorgsam disponiertes wildes Espressivo auf, das einem die Figur wirklich nahe bringt. Nana Dzidziguri ist mit kraftvollem und farbenreichem, bemerkenswert leicht ansprechendem Mezzo für die arienlose Federica, eine operngemäße Verkleinerung der Lady Milford, fast eine Überbesetzung. Zumal sie über eine gewaltige Bühnenpräsenz verfügt. Was auch für Sebastian Campione gilt. Der verfügt nicht über einen schwarzen Bass, aber über außergewöhnliche Musikalität und Klangfantasie und macht so den Conte di Walter zur zentralen Figur, wann immer er auftritt. Auch Anton Keremidtchiev (Miller) und Michael Tews (Wurm) zeigen sich als hervorragende Rollenvertreter.

Barbora Horáková Joly stellt dieses fabelhaft zusammengestellte Ensemble vor bewegliche weiße Wände. Klinisch wirkt das, fast wie eine Versuchsanordnung. Zu Beginn wird dieses von Andrew Liebermann erdachte Labor von Clowns bevölkert. Natürlich herrscht Glück tatsächlich nur in den allerersten Takten dieser Partitur vor, aber ist das nicht zu hören? Die Regisseurin überträgt Musik und Handlung in ein nur teilweise dechiffrierbares, symbolisch aufgeladenes Zeichensystem, will analysieren, Tiefenstrukturen aufdecken. Hauptbildidee dafür ist die Befleckung und Besudelung der Wände – im Wortsinn – als Verlust der Unschuld und Verdüsterung der Welt. Das wird ausgelöst durch einige durchaus stimmige und vor allem aus der Musik entwickelte Schockeffekte, trägt aber nicht. Vor allem weil die schwarze Farbe auf den gewaltigen Wänden zu blassem Grau verläuft. Und so wirkt wie eine brave Kunstaktion, vor der etwa das einzigartige Bassduett schlicht verläppert. Weil es romantische Düsternis braucht. In irgendeiner Form.

So wirkt Horáková Joly ihrer eigenen, handwerklich hervorragenden, meist sehr genauen, oft auch bildkräftigen Personenführung entgegen. In den Schlussmomenten etwa, wenn das selbstvergiftete Liebespaar musikalisch überwältigend zwischen Trauer, Liebe und Wut herumirrt, müssen Tänzer weiter an den Wänden herumschmieren, andere müssen Kerzen bringen, was nichts ist als – Ablenkung und Dekoration, szenische Verdoppelung der Musik. Was könnte es uns sagen?

Ganz anders, und doch ein wenig ähnlich, das Dirigat von GMD Julia Jones. Sie disponiert das Stück glänzend. Die Orchesterfarben sind fein gehört, die Balance von Orchester, vorzüglich singendem Chor und Solisten stimmt durchgängig. Im komplexen Finale des ersten Aktes etwa waren wohl selten so viele innovativ komponierte Details zu hören wie jetzt in Wuppertal. Und das heikle A-capella-Ensemble im zweiten Akt läuft wie auf Schienen. Alles stimmt von Anfang bis Ende. Es bleibt nur ein wenig kühl. Verdi apollinisch, glasklar ausanalysiert. Ein wenig leidenschaftliches Glühen, ein wenig Eigenwilligkeit in der Agogik, ein wenig mehr funkelnde Lebenslust hätte der Aufführung vermutlich gut getan und das fantastische Ensemble sicher auf ein noch höheres Niveau gehoben.