Foto: William Shakespeare "Richard III." am Schauspiel Stuttgart. Peter René Lüdicke (König Edward/Margaret/Mörder), Marek Harloff (Richard III.), Manolo Bertling (Clarence) © JU_Ostkreuz
Text:Adrienne Braun, am 29. September 2014
William Shakespeare Richard III Schauspiel Stuttgart Robert Borgmann Marek Harloff Susanne Böwe DIE DEUTSCHE BÜHNE Adrienne Braun
Das Schauspiel Stuttgart eröffnet die neue Saison mit einem verpatzten „Richard III.“ in der Regie von Robert Borgmann
Er liebt das Morden, er lässt Köpfe rollen und räumt Widersacher skrupellos aus dem Weg. Er will die Krone und kann „diesem Friedenstrallala keinen Spaß entreißen“. Deshalb beschließt Richard, „den Dreckskerl aufzuführen“. In seinem Drama „Richard III“ hat Shakespeare diesem legendären Bösewicht ein Denkmal gesetzt. Die fünf Akte seines Dramas sind ein böses Spiel voller Intrigen und Morde. Im Schauspiel Stuttgart fließt dagegen kein Tröpfchen Blut. Richard mag schwadronieren, man mag erfahren, dass auf seiner Seite „nur Teufel und Lügenmaul“ stehen. Aber auch nach drei zähen Theaterstunden ist nicht einmal im Ansatz erzählt, wie Richard die Kinder des Bruders tötet oder seine eigene Ehefrau auf den Scheiterhaufen bringt.
Das Schauspiel Stuttgart hat seine neue Saison mit „Richard III“ eröffnet, aber der Regisseur Robert Borgmann zeigt in seiner Inszenierung erstaunliches Desinteresse an dem Stück. Auf einer ständig sich kippenden Scheibe im schwarzen Nichts der nackten Bühne kreiseln die Akteure durch den Abend und tauchen auf und ab. Es werden keine Räume definiert, das Spiel ist vielmehr ort- und zeitlos – und Richard ein Mann im schwarzen Anzug, der sich in keine Epoche einordnen lässt, aber auch nichts über seine psychische Verfasstheit verrät. Marek Harloff spielt diesen Mann ohne Eigenschaften. Er ist eine Woche vor der Premiere für den erkrankten Thomas Lawinky eingesprungen – und verdient höchsten Respekt, wie er sicher mit den Textmassen hantiert.
„Wie oft wurden diese Worte schon gesprochen?“ heißt es zu Beginn – und die Frage scheint Borgmanns Devise zu sein. Als sei alles gesagt, macht er sich gar nicht erst die Mühe, die Figuren einzuführen, den Stoff zu vermitteln und die Zuschauer durch dieses große Drama zu geleiten. Als wolle er den Beweis erbringen, dass Shakespeare jede Relevanz verloren hat, dass es nichts in diesem Stoff mehr gibt, dass zu thematisieren und fokussieren sich lohnte, nimmt er keine Haltung an, nähert sich dem Drama ohne Konzept oder Idee. Grad so, als sei es ehrenrührig, den Stoff allzu ernst zu nehmen.
Doch mit dieser völligen Teilnahmslosigkeit und Distanz scheitert Borgmann auf der ganzen Linie. Die Winkelzüge des Königsdramas bleiben unverständlich, nur mühsam lassen sich die lieblos hingeworfenen Fragmente zusammensetzen – und man fragt sich, warum die Dramaturgie hier nicht eingegriffen hat. Blutleer und farblos ist dieses Spiel im schwarzen Dunkel, nicht Gebrüll, nicht Gejuxe, nicht einmal die schwarze Schmiere, in der sich Richard zuletzt suhlt, können dieser Inszenierung Leben einhauchen.
Buckingham ist hier eine Frau (Katharina Knap). Mehrere Schauspieler wechseln zudem die Rollen – so lässt König Edward (Peter René Lüdicke) plötzlich die Hose fallen. „Nein, nicht die Hose“, ruft er, „ich verliere meine Hose. Ich bin Margaret“. Das mag originell sein, aber verstärkt nur das Problem, dass zwischen den Figuren keinerlei Beziehungen entstehen. Während der eine spricht, stehen die anderen wartend umher. Einiges geht akustisch unter, anderes ist schlecht artikuliert, Sandra Gerling spricht wie mit Zungenpiercing. Susanne Böwe ist als Elisabeth die einzige, die präsent und klar aus diesem Dunkel hervorsticht.
„Was gibt’s zu sagen, was noch nicht gesagt?“ heißt es am Ende – aber die Inszenierung hat längst die Antwort geliefert. Für Borgmann gibt es zu diesem Stück offensichtlich nichts zu sagen.