Dreieinhalb Stunden rollt “Die Sonne” in französischer Dialoglastigkeit über die Rampe, streng nach den Regieanweisungen, die sich Autor und Regisseur Olivier Py selbst in den Text geschrieben hat. Apart ist die Kulissenbühne von Pierre André Weitz: Ein Klinkergebäude, dessen Elemente sich zu immer neuen Innenräumen, Höfen, Außenmauern verschieben lassen. Aktion findet fast nur auf der Vorderbühne statt – es sei denn, ein Darsteller reitet auf dem skulpturalen schwarzen Hengst, einem flügellosen Pegasus. Sir Henry, live am Flügel, lässt virtuos Klaviermusik perlen. Und die Gesichter der “Aktunten” – so eine im Spiel persiflierte Py’sche Phrase – sind dem Publikum zugewandt wie Sonnenblumen dem Licht.
Lediglich Ilse Ritter kann eine ironische Distanz zu ihrer Rolle mitspielen, anders als die Jungdarsteller. Sie gibt die Elena – Josefs Mutter und zeitweise Axels Geliebte – als alternde Diva zwischen Marlene und Marilyn. Fährt ihrem Sohn röhrend in die Parade, tituliert ihren neuen Gespielen Bobby (als erfreulich enthemmter Großkotz: Claudius von Stolzmann) hingerissen als jung, schön, genial und irrsinnig.
Letztlich weiß man nicht genau, ob Py sich über all die Künstlerklischees belustigt, die er mit nietzscheanischem Sprachfuror ausbreitet, oder ob unfreiwillige Komik die Regie in dem für die Volksbühne geschriebenen Stück übernommen hat. Möchte Py, ab 2013 Leiter des Festival d’Avignon, “das Theater” kritisieren, retten – oder ist ihm sein Künstlerdrama zu modrigen Phrasen zerfallen? Nicht selten dekonstruieren sich Autor und Stück selbst: “Esoterisches Gesäusel”, kommentiert Josef einen Monolog von Axel. Der manirierte Sprachduktus erinnert an die poetischen Gewährsleute Rimbaud und Artaud, die der Programmzettel zitiert, aber das Pathos scheppert hohl: “Man muss von unvorstellbarer Armut sein, um Schauspieler zu sein. Von einer unerträglichen Nacktheit.” Mehr als des Kaisers neue Kleider sieht man nicht.