Starkes Ensemble: Philip Dobraß, Ronja Jenko als Rita und Benjamin Wilke als Manfred

Warten auf bessere Zeiten

Ann-Kathrin Hanss nach Christa Wolf: Der geteilte Himmel

Theater:Theater Eisleben, Premiere:27.04.2019 (UA)Vorlage:Der geteilte HimmelAutor(in) der Vorlage:Christa WolfRegie:Sonja Wassermann

Zuggeräusche, lautes Bremsenquietschen, Polizeisirenen, und Rita fällt – aber doch nicht vor den Zug. So dramatisch und vom Ende her beginnt im Theater Eisleben Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“. Da glaubten zwei Menschen, nichts und niemand werde sie auseinanderbringen, und es werden sie auch nicht die Gefühle trennen, sondern die Zeitläufte. Manfred wird Rita, die ihn doch im Leben festgemacht hatte, verlassen, Flucht durfte das nicht heißen, nur Weg in die freie Welt. Es gibt gleich einen doppelten Anlass für den erneuten Blick auf einen Klassiker der DDR-Literatur: der 90. Geburtstag von Christa Wolf und 30 Jahre Friedliche Revolution.

Und der Roman hält stand, zumal in der Bühnenfassung der Dramaturgin Ann-Kathrin Hanss. Die kleine Foyerbühne teilt ein großer Stahlgitterkäfig in zwei Hälften, der, gedreht und gewendet, auch mal Telefonzelle, Waggonbaufabrik oder Büro sein wird (Ausstattung von Eckhard Reschat). Im Büro langweilt sich die 17jährige Rita (Ronja Jenko), nie sieht sie was Neues vor dem Fenster. Doch dann tanzt sie mit dem Tisch, als ihr geliebter Manfred zu Weihnachten kommt, wenig später macht sie auf dem Tisch übermütig den Flieger, weil sie gerade als Neulehrerin geworben wurde.

Den Werber (und auch den Erzähler, Zugbaukollegen, Ritas Mutter) spielt Philip Dobraß, den angehimmelten Manfred gibt Benjamin Wilke. So findet hier der gesamte Romaninhalt auf die Bühne, nichts fehlt, und das mit gerade einmal drei Schauspielern. Sonja Wassermanns Inszenierung findet immer wieder zu stimmigen Szenen und Details der Zeit- und Lebensgeschichte zweier Menschen. Da singt Louis Armstrong zu Ritas Einzug in Manfreds Bodenzimmer in seinem Elternhaus, später tanzen beide zu Lipsi-Rhythmen und schauen gen Westen, (noch) ohne Neid.

Der schleicht sich vor allem bei Manfred immer mehr ein in dieser Inszenierung am Theater Eisleben. (Die frühere „Landesbühne Sachsen-Anhalt“ musste für einige Jahre „Kulturwerk Mansfeld-Südharz“ heißen, ehe sich das Haus unter dem neuen Kulturminister Rainer Robra nun angemessen „Theater Eisleben“ nennen darf; der Minister spendierte auch noch ein schickes, gläsernes Foyer.)

Doch bessere Zeiten erleben Rita und Manfred leider nicht. In dessen Neid mischen sich Wut und Enttäuschung über sein Land, lassen das Gesicht des studierten Chemikers immer wieder zur Fratze vereisen. Normerhöhung in Ritas Fabrik, der Werksleiter, der nicht von der Dienstreise nach Westberlin zurückkehrt, die „historische Verspätung“ einer „gebrauchten Generation“ bestimmen ihn immer mehr. Rita dagegen, die das rote Kopftuch der Arbeiterin gegen die Baskenmütze der Lehrerin und Absatzschuhe gegen flache Schuhe tauscht, glaubt weiter an ihr Land.

Als Manfred schon nach West-Berlin abgehauen ist und Rita ihn dort heimlich besucht, fallen die Schlüsselsätze in Roman und Inszenierung. „Den Himmel können sie nicht zerteilen“, glaubt er noch, sie aber entgegnet: „Doch, den zuerst.“ Dann sucht sie nicht seine Hand, sondern den Griff ihres Koffers. Starkes Schlussbild einer starken Inszenierung: Fotos des Mauerbaus am 13. August 1961, gefolgt von einem Black. Und langem Applaus.