Die in David Böschs Film nicht angestrebte Perfektion ist Vorsatz. Die Farbgestaltung meidet grelle Akzente für die sehr maßvolle Darstellung von Lenas wechselnden Gefühlen und Ängsten. Man verweigert sich fast gänzlich der dem Animationsgenre implantierten Strategie des Mickey-Mousings. Weitaus häufiger sind in „Spring doch“ Verfremdungen aus der wahrnehmbaren Disproportion von Lautstärke und Bewegungsdauer der Figuren und Aktionen. Der Sprung vom Theater in die digitale Welt gelingt auch deshalb, weil Bösch sich im Film von einem theatral gedachten Umgang mit der Zeit löst. So entwickelte er für Lenas Entscheidung und ihren Weg zum Ziel eine von seinen Ausstattern Patrick Bannwart und Falko Herold realisierte visuelle Animationspartitur. Die physisch echte Lena könnte sieben, zwölf oder siebzehn Jahre alt sein. Die junge Sopranistin Anna-Lena Elbert bleibt die Ruhe selbst, bewegt sich meist langsam vor und zwischen den Bild-Choreographien. Weniger Lenas sprechende Augen als ihre Blickrichtungen sind die Verbindungsgeraden zwischen Animation und „realen“ Personen.
Drehungen, Zooms, Wechsel zwischen Schwarzweiß und Farbe sowie Spiegelungen in Brillengläsern und die von Lenas Klassenkamerad Tom (George Vîrban) expressiv hochgerissenen Krücken reihen sich zur wirkungsvollen Bilderfolge. Lenas Zaudern durchmisst die einzelnen Stationen mit bedachter Entschleunigung. Die Bedeutungstiefe von Gedanke, Tat und innerer Befreiung erfährt eine sich fast verselbständigende Verallgemeinerung.
Oper ist mehr als Schöngesang: Lena hat keine Arie. Der Vater poltert, wenn es nicht täuscht, in Strophen und die Kinderstimmen der Schule für Chorkunst (Leitung: Maxim Matiuschenkov) dürfen zur bedrohlichen Meute werden. Die hier aufscheinende Orffsche Manier verlässt Kampe schnell mit geschmeidiger und nicht immer sonderlich variantenreicher Ton-Behandlung (Klavier: Alessandro Stefanelli; Schlagzeug: Thomas Würfflein). Andreas Fellners umsichtige musikalische Koordination kann im Film nicht auffallen. Dabei liegt es gerade an ihm, dass die Visualisierung so wirkt, als wären Musik und Drehbuch in synergetischer Übereinkunft entstanden. Das Video nimmt für den Weg von Lenas Idee bis kurz vor der Ausführung eine wenig emotionale, eher dokumentierende Haltung ein. Deshalb gilt der gute Eindruck in erster Linie der technisch-dramaturgischen Bewältigung.