Szene aus Kay Metzgers "Lohengrin"-Inszenierung.

Wagner kommt per Schattenschwan

Richard Wagner: Lohengrin

Theater:Harztheater, Premiere:29.10.2011Regie:Kay MetzgerMusikalische Leitung:Johannes Rieger

Halberstadt spielt Bayreuth. Immerhin hat man auch ein Theater mit Fachwerkfassade wie das Festspielhaus. Und innen hat Ausstatterin Petra Mollérus zu Seiten der kleinen Bühne jene Säulenreihen gesetzt, die in Bayreuth den Zuschauerraum zur Szene hin fokussieren. Im Hintergrund findet sich die verkleinerte Bayreuther Festspielhausbühne wieder – Wagners Erfindung und somit der rechte Auftrittsort für das Idealisch-Unglaubliche, das da in Gestalt des Schwanenritters Lohengrin als Nothelfer der Entrechteten und Entzweiten dahergesegelt kommt. Per Schwan. Hier kunstvoll-ironisch als Schattenspiel inszeniert.

Kay Metzger liest Wagners im Vorfeld der 1849er-Revolution in Dresden entstandene Oper richtig als politisches Stück. Durch den oft geübten Trick des Theaters auf dem Theater kann er die romantische Geschichte erzählen und baut doch eine Distanzebene zur Reflexion ein. Da schauen wir also den gut gekleideten Menschen des 19. Jahrhunderts, also zu Wagners Zeit zu, wie sie Handlungselemente seiner Oper erleben. Eben saß Elsa, die Verleumdete, noch in der Loge, doch es ist ihre Sache, die da auf der Bühne verhandelt wird, und so wird sie zur Mitwirkenden. Der ersehnte Retter ist Traumfigur mit Schwan, trägt aber auch Wagners wildmähnige Züge, der selbst als Revolutionär in Dresden aktiv war und hier via Oper sein politisches Programm nationaler Einigung in demokratischem Geist umsetzt. Lohengrin will ja bewusst kein Fürst mehr sein, sondern „Schützer von Brabant“, und die Bürger stecken sich schwarz-rot-goldene Kokarden an, lassen die entsprechende Flagge wehen. Sogar der König, eben noch mit Zepter und Krone, leistet in schwarz-rot-goldener Uniform den Fahneneid – so hatte sich das Wagner damals tatsächlich gedacht.

Doch wo zu viel Zweifel herrscht, kann sich das Ideal nicht realisieren. Elsa fragt, Lohengrin kehrt zurück ins Traumland, hinterlässt aber seine Partitur – Wagners Revolution war ja auch eine Opernrevolution. Ausgerechnet die reaktionäre Gegenspielerin Ortrud greift sie und liest fasziniert darin, vielleicht ein Hoffnungszeichen. Zunächst aber geht das demokratische Experiment erstmal schief, Weltkriegs-Flammen züngeln, die Wagner-Bühne stürzt zusammen. Von den weiteren Irrwegen der Geschichte wie der Wagner-Rezeption erzählt dann Herheims „Parsifal“ in Bayreuth.

Eindrucksvoll lässt Johannes Rieger das Nordharzer Orchester in Wagners fantastischen Farben glühen. Der Klang ist prächtig, durchhörbar, sehr prägnant. Die Streicher spielen seidig, die Bläser präzise, das hört man auch andernorts selten klarer. Das erste Vorspiel gerät noch reichlich schnell, doch später stimmt die Dramaturgie, und das dritte Vorspiel entwickelt wohlige Pracht. Kraftvoll auch die Chöre. Dazu kommt mit Wolfgang Schwaninger als Lohengrin ein Tenor mit füllig-strahlenden Spitzen und Schmelz. Katharina Warken singt Elsa mit klug differenzierendem Sopran. Aus dem Hausensemble ragt der klangvoll charakterisierende Bass von Klaus-Uwe Rein hervor. Juha Koskela singt kraftvoll den Telramund, Gerlind Schröder mit lyrisch feinem Mezzo eine verführerische Ortrud, die in den hochdramatischen Spitzen an ihre Grenzen stößt. Insgesamt muss man staunen über diese niveauvolle Aufführung an wenig privilegiertem Ort.

Tatsächlich droht dem Musiktheater nach 200 Jahren das Aus,da die Städte Halberstadt und Quedlinburg ihre Zuschüsse zum Städtebundtheater halbieren wollen, der Landkreis Harz ein Drittel einsparen will. Quedlinburg würde nur noch 280.000 statt 480.000 Euro zahlen, Halberstadt 500.000 statt 1.100.000 Euro, der Harzkreis 1.140.000 statt 1.800.000 Euro. Das Land Sachsen-Anhalt gibt gemäß einem Grundsatzvertrag stets dieselbe Summe drauf, die die Kommunen und der Kreis leisten, bislang also 3.380.000 Euro. Es darf diese nun also auch um ca. 50 Prozent kürzen.

Am Haus ist nichts mehr einzusparen, die Musiker verzichten bereits jahrelang auf 20 Prozent Gehalt. Nur das Land oder weitere Kommunen des Kreises könnten diesen wichtigen Ankerpunkt für gemeinschaftstiftende Ideen noch retten. 70 Prozent Platzauslastung erreicht das Städtebundtheater, unter anderem auch durch seine Gastspiele im Bergtheater Thale, in Lutherstadt Eisleben oder Wolfenbüttel. So werden über 16 Prozent des Jahresetats eingepielt. Das Orchester könnte sich nun zum Beispiel eine Verschmelzung mit dem bislang städtischen Philharmonischen Kammerorchester Wernigerode vorstellen, um weitere Kommunen am Haushalt zu beteiligen. Lohengrin hilf!