Foto: Das Ensemble hat Spaß am Fußball im Berner „FIFA“-Projekt © Janosch Abel/Konzert Theater Bern
Text:Tobias Gerosa, am 20. Dezember 2019
Wie interessant hätte doch so eine richtige Blutgrätsche werden können! Das Theater der Schweizer Hauptstadt hat Regisseur Christoph Frick beauftragt, sich auf der Bühne in der Vidmar-Fabrik dem Thema Fußball und seinem mächtigen, in der Schweiz ansässigen und als einfacher, steuerbefreiter Verein tätigen Weltverband FIFA anzunehmen. Eine Steilvorlage?
Das Publikum sitzt wie im Stadion an drei Seiten um ein Rasenviereck (und bekommt auch gelegentlich Bälle ab). Clarissa Herbst hat darüber ein stilisiertes Stadiondach als Projektionsfläche gesetzt. Immer wieder holt eine Live-Kamera (Thomas Bernhard) die Darsteller ganz nah heran oder blendet geisterbahnartig Köpfe der Weltfußball-Prominenz ein.
Fußball ist Sport, Sport ist Emotion. Das führt das zehnköpfige Ensemble (warum eigentlich nicht 11?) vor, stilecht in Trikots mit Klarnamen, schließlich sind sie auch alle als Co-Autoren geführt. Fricks Regie gliedert nicht nur in zwei stundenlange Halbzeiten, sondern auch in zwei Sphären: Der Sport und der vielzitierte grüne Tisch der Funktionäre. Die Schauspieler wechseln fliegend zwischen den beiden: Hemd und Jackett rasch übers Trikot gezogen (Kostüme auch Clarissa Herbst). Kurze Trainingssequenzen dienen als Übergänge zwischen den einzelnen Szenen. Das gibt dem Abend formal einen spielerischen Touch und gleichzeitig Form.
Da sind die Spieler und berühmten Spiele. Da sind die Fans (nur für Nicht-Berner klingt wohl seltsam, wenn da in Frage-und-Antwort-Manier «Young – Boys», der Name des lokalen Erstligisten und Schweizer Meisters, skandiert wird). Den größten Teil machen aber Szenen um Funktionäre wie Sepp Blatter (Nicola Fritze) oder Gianni Infantino (Gina Lorenzen) aus; Pressekonferenzen, bei welchen kritische Fragen nicht beachtet und kritische Frager rausgeworfen wurden (Alexander Maria Schmidt). Winken mit Geldbündeln. Das Dreschen von Phrasen, doch „Inte-Inte-Integrität“ oder „Mani-Money-pulation“ bringen die Anzugträger kaum unfallfrei über die Lippen.
Das ist unterhaltsam gemacht und flutscht mit viel Zug vorbei – zumindest in der ersten Hälfte. Man lacht oft oder schmunzelt wenigstens. Man erschrickt, wenn die Geschäfte rund um den Sport analysiert werden. Und wenn vorgerechnet wird, wie viele Prämien an einem einzigen Penalty im Finale der Champions League hängen, demontiert das in ganz einfacher Weise die schöne Mär vom hehren Sport.
Frick versucht durch die vorgelagerte Recherche hinter den Abwehrriegel der FIFA zu kommen. Doch das gelingt – solide Defensivtaktik, inklusive Blutgrätschen, wenn nötig – nur sehr beschränkt. Der Abend fächert viele Teilaspekte auf, kommt dabei aber kaum in die Tiefe.
Jeder bekommt noch seine Solonummer, die sich dann gerade im zweiten Teil vortragsmässig aufreihen. Man hört dabei, was man schon weiß. Aber wo bleibt der Frauenfußball? Wo die Gewalt im Umfeld, der Rassismus? Ein geld-scheißender FIFA-Esel ersetzt diese Auseinandersetzung nicht.
Offensiv und variabel wollte die Mannschaft des Theaters Bern das Spiel gewinnen. Doch den Abwehrriegel, der um die kritisierten Aspekte aufgebaut ist, knackte man trotz Recherche und schöne Rhetorik liefernden Interviews nicht. Vielleicht macht das die Sache gerade aus: Man kennt die Machenschaften hinter den Kulissen, aber vor dem nächsten „wichtigen“ Spiel vergisst man all das rasch wieder. Dieses System funktioniert für die FIFA wie für diesen Theaterabend.