„Dat Leven vun de Liven“ erzählt von den Liven, einer Volksgruppe in Lettland. Heute leben nur noch ungefähr 200 Menschen in wenigen Dörfern an der Ostsee. Mit ihnen wird also auch ihre Sprache aussterben: Livisch. Ein ähnliches Schicksal könnte auch dem Plattdeutschen drohen. Und so werden an diesem Abend beide Sprachen bewusst lebendig gehalten, neben kurzen Ausflügen ins Englische, Arabische und Hochdeutsche.
Gefühle für Sprachen entwickeln
Auf der mit Stoff ausgekleideten Rückwand unterbrechen projizierte Filmsequenzen das Live-Spiel, darin erzählen Liven in englischer (!) Sprache von der Bedeutung des Livischen für ihre Identität und das Lebensgefühl – und wie unwichtig es sei, was in irgendeinem Pass stehe. „Nationen kommen und gehen. Aber ich fühle mich wie eine Livin“, sagt Baiba Šuvcāne, Leiterin des Livonischen Gemeindehauses, in einem berührenden Video-Porträt.
Weitere Zeitgenossen kommen in filmischen Dokumentationen zu Wort, jeweils abwechselnd mit den vier Darstellenden im Bühnenraum, neben Erkki Hopf sind das Birte Kretschmer, Cem Lukas Yeginer und Lamis Ammar. Sie erhellen die grundlegende Fragestellung mit Vergleichen: Was passiert mit der Welt, wenn Pflanzen, Tiere und Sprachen aussterben? Brauchen wir den Mosel-Apollo-Falter – Inbegriff bedrohter Schmetterlingsarten? Die Antwort gibt das Stück durch eine geschickte Textauswahl, die sich collagenhaft sinnvoll zusammenfügt. Dabei vertragen sich Zitate aus der Bibel bestens mit solchen von Dörte Hansen, Ray Bradbury und Mithu Sanyal.
Die gewollt aufgesetzten Verkleidungen der Spielenden hätte es nicht gebraucht. Auch, dass – als Hommage an das ehemalige Volk der Fischer – ein Boot zusammengesetzt und dann, weil nicht mehr gebraucht, umgedreht wird, wirkt eher bemüht. Nach einer Stunde Spielzeit bleiben besonders die Sätze der Liven in Erinnerung, wie jene des Komponisten und Dirigenten Ģirts Gailītis, der über seine Muttersprache sagt: „Man muss kurze Wörter benutzen, denn lange Wörter wehen mit dem Wind davon.“ Seine Worte hallen indes noch deutlich nach.