Wie auch immer man das Gesehene deuten mag: Rashaen Arts schmiegt sich wenig später so lange in eine Schatten-Choreografie ein, bis alle Begrenzung schwindet und der tanzende Körper sichtbar wird. So konkret, wie im Programmheft beschrieben, werden die sieben Miniaturen allerdings selten. Und doch spürt man stets, welches Gefühl jeden Einzelnen aus dem Ensemble bewegt. Es gibt einen dramatischen Satz, in dem sich die angestaute Energie in ausgreifenden Läufen und Drehsprüngen Raum verschafft. Und es gibt einen, der insofern die „History of Touches“ sichtbar macht, als sich Feline van Dijken und Eric White in ihm tatsächlich berühren. Beide „führen einen gemeinsamen Haushalt“, wie es so schön auf dem Besetzungszettel heißt, und dieser Umstand ermöglicht hier eine Vertrautheit, die Arqués ohne jede äußerliche Virtuosität in Szene setzt.
Aufdringlichkeit ist ohnehin seine Sache nicht. Sein „Spectrum“ kennt (auch kostümlich) keine knalligen Farben. Es ist eher das Sanfte, das er sucht. Eine Zartheit, die der Intimität der interpretierten Kammermusik entspricht. Die Musikerinnen und Musiker Franziska Früh, Marina Peláez Romero, Ralf Buchkremer und Nikolaus Trieb stellen sich dem Streichquartett No. 4 von Marc Mellits mit hörbarer, sichtbarer Lust – wie auch dem nachfolgenden Entr’acte, einem „Ritornello“ von Caroline Shaw.
Während Arqués Schwere immer leichtfüßig erscheinen lässt, choreografiert Demis Volpi „A simple piece“ aus dem Stand heraus. Der Abstand bleibt gewahrt. Breitbeinig stehend, kommen die acht Tänzer und Tänzerinnen kaum von der Stelle. Und doch bewegen sie sich in dem Maße, in dem sich auch die Sprechstimmen in der eingespielten „Partita for 8 Voices“ zum A-capella-Gesang verdichten. Das Stück hat etwas Atavistisches, wenn nicht sogar etwas Bedrohliches, gäbe es nicht zwischendurch eine erheiternde Geste, ja, manchmal sogar ein Lächeln. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein großes Ganzes – was möglicherweise an den weiten, schwarzen Cowboy-Hosen liegt, die jede Beinbewegung noch effizienter machen. Je länger man indes hinschaut, desto differenzierter gibt sich die Choreografie. Es sind kleine Momente, die das bloß Uniforme verhindern; es sind immer wieder Drehungen, die sich voneinander unterscheiden, minimale Veränderungen, die das scheinbar Einfache unterlaufen. Nähe und Ferne stehen in einem raffinierten Verhältnis, das sich einem erst beim mehrfachen Sehen entschlüsselt. Eine gedoppelte Premiere hat da etwas Gutes.
Unters Opernhausgebälk hat sich ein clownsgesichtiger Luftballon verirrt. Er betrachtet das Ballettgeschehen auf der Bühne ganz offensichtlich mit Vergnügen.