Foto: "Tanz Trommel" am Nationaltheater Mannheim als Kooperation des Schnawwl und des Kevin O'Day Balletts © Christian Kleiner
Text:Manfred Jahnke, am 16. September 2013
Eine Wand aus verschieden großen Holzkisten trennt den Spielraum in zwei eigene Sphären. Die Zuschauer sitzen auf beiden Längsseiten, jeweils nach Geschlecht getrennt. Ein junger Mann mit roten Händen tritt auf meiner Seite auf, beginnt vorsichtig Holz abzuklopfen. Was wohl die Tänzerin auf der anderen Seite der Wand macht? Nach einem vorsichtigen ersten Abtasten und Hören, wie die verschiedenen Hölzer klingen, werden die ersten Kisten abgetragen. Die Tänzerin erscheint, mit rotbemalten Füssen, hängt erst noch in der Luft, bewegt sich dann magisch durch den Raum. Beide nehmen sich zunächst nicht wahr. Als sie sich sehen, versuchen beide sich in ihren jeweiligen „Sprachen“ zu entäußern: Sie durch den Tanz, der, nachdem zunächst Elemente des klassischen Tanzes die Bewegung zu regieren scheinen, immer mehr sich zu einem Körperausdruckstanz wendet, der wiederum Momente des Free Dance aufnimmt; Er durch das Trommeln, das einen immer heftigeren Rhythmus annimmt. Wie Autisten bleiben sie zunächst für sich, versuchen aber versteckt Kontakt aufzunehmen, der dann in einem heftigen Streit mündet. Obschon sich in diesem auch zärtliche Momente verbergen, wenn er ihren Körper als Percussioninstrument nutzt, fast wie bei einer (theaterpädagogische) Körpermassage. Nach dem Streit folgt die Versöhnung, man versucht sich in der jeweils anderen Sprache, kommt zusammen, übernimmt die Bewegungen des Anderen. Am Ende der Aufführung sind dann über Band die Stimmen der Mitwirkenden zu hören, die erzählen, wie sie zum Tanz bzw. zur Musik gekommen sind, was diese Medien mit ihnen gemacht hat, mit anderen Worten, warum sie heute auf einer Bühne agieren. Wenn dazu Bilder projiziert werden, die zum einen Fotos der Künstlerin aus ihren Kindertagen und dann Eleven zeigen, wird die Botschaft klar: Vertraut Euren Fähigkeiten, vertraut den „Sprachen“ von Musik und Tanz. Sie spricht vom „Glück“, Er meint: „Musik ist meine wilde Freiheit und mein innerer Friede.“
Was jetzt so arg fingerzweighaft klingt, das trifft auf die Inszenierung von Andrea Gronemeyer am Schnawwl Mannheim keinesfalls zu: Es ihr gelingt, das Publikum magisch zu verzaubern. Als Regisseurin führt sie klug die verschiedenen Sprachen zusammen, formt eine Geschichte mit einem exakten Gefühl für Rhythmus und Poesie. Dabei lässt sie allen Mitwirkenden den Freiraum, den sie zur Entfaltung brauchen. Julie Pécard entwickelt als Tänzerin ihre eigene Choreographie, die, weil sie mit den Mitteln des Ausdruckstanzes arbeitet, ihre charismatische Persönlichkeit zum Vorschein bringt. Peter Hinz, der auf der Bühne eine ebensolche Aura ausstrahlt, hat als Spieler und Komponist ein exaktes Gefühl für die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten von Gefühlen. Und auch der von Christian Thurm geschaffene „Holzkisten“-Raum mit den vielen versteckten Schlaginstrumenten ist von überzeugender Poesie.
„Tanz Trommel“ ist die erste Kooperation des Schnawwl Mannheim mit dem Kevin O’Day Ballett am Nationaltheater Mannheim. Eine geglückte Zusammenarbeit. Bitte mehr davon.