Souveräner Hauptdarsteller, problematisches Spieltempo
Eine derartige Spielweise birgt Risiken, muss sich der Spieler doch auf nicht eingeübte Situationen einlassen. Steven Cloos macht das am Jungen Theater Ingolstadt souverän. Mit freundlichem Lächeln geht er auf die beim Einlass ausgewählten (?) Mitspieler und Mitspielerinnen zu, führt sie sanft in seine Richtung, lässt sich kaum von neuen Einfällen überraschen. Als junger Mann in Lederjacke, als Student vielleicht, stakst er auf der Bühne. Es gelingt ihm nicht immer, bei seinen Erzählungen die Brüche zwischen Lächeln, Komik und emotionalem Erleben auszuspielen, was auch an dem von Johanna Rehm geschaffenen szenischen Ambiente liegt. Verführt vielleicht von den Musikvorschlägen in der Textvorlage, zumeist Jazz- und Swingnummern (wer kennt noch Ella Fitzgerald?) aus den vierziger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, setzt sie alte, abgenutzte Möbelstücke im Design der sechziger Jahre in den Raum: ein abgewetzter Teppich, ein Phonoschrank, ein Schrank und etwas moderner, die Bank eines Kleinbusses, die jeweils kurz als Handlungsorte angespielt werden: Die Erinnerungen des Protagonisten werden auf diese Weise real vergegenständlicht, was das Spiel zu hemmen scheint. Denn das Wiederheraufholen der alten Erlebnisse macht nichts mit ihm.
Auch die Regie von Johanna Landsberg lässt die Grundsituation – ein Mann blickt auf sein Leben zurück, das, als er sieben war, einen entscheidenden Knick bekommen hat – zugunsten der Glücksmessage nur en passant zum Ausdruck kommen. Sie konzentriert sich stattdessen auf Bewegungsabläufe, wie das Malen der Sätze auf den Bühnenboden oder die aus dem Schrank überquellenden Blätter. Sie kann sich nicht für die Entfesselung eines komödiantischen Spielfurors entscheiden, aber auch nicht für einen psychologisch fundiertem Realismus. Dieses „Dazwischen“ lässt sich auch am Spieltempo ablesen: Was im Spiel mit den Rollen aus dem Publikum funktioniert, gerät bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie ins Stocken.
Die Premiere von „All das Schöne“ fand am Eröffnungstag von Südwind statt, dem ersten Bayerischen Theatertreffen für junges Publikum, das in Ingolstadt noch bis zum 8. Juli kuratiert Inszenierungen aus Bayern zeigt. Nach vielen Anläufen unter anderem in Augsburg oder beim Panoptikum-Festival in Nürnberg und einem Jahr pandemiebedingter Verschiebung hat die bayerische Szene, die in den letzten Jahren einen starken Entwicklungsschub hatte, endlich einen Ort des intensiven Austausches gefunden.