Szene aus "Der blonde Eckbert“ am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin.

Vogelstimmen

Judith Weir: Der blonde Eckbert

Theater:Mecklenburgisches Staatstheater, Premiere:16.09.2011Regie:Anke TechentinMusikalische Leitung:Paolo Bressan

„Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles; ach, wir Armen!“ – das wusste Goethe. Durch dem finstren Harz-Tann des Romantikers Ludwig Tieck aber schimmert das Edelmetall derart tödlich, dass ein wohlhabender Einsiedler dort vor Reichtum schier erblondet ist – „Der blonde Eckbert“ trägt edelmetallen schimmerndes Haar in Anke Techentins Inszenierung der schon 1993 entstandenen, am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin nun in der fünf Jahre alten „Pocketversion“ zu hören und zu sehen. Auf zehn Instrumente reduziert, gibt sich das ebenso stringente wie kompakte Werk der schottischen Komponistin, die sich zuletzt in diesem Jahr mit der „Achterbahn“ bei den Bregenzer Festspielen Aufmerksamkeit erwarb, als flirrendes Stimmengewirr am Rande des Unerklärlichen.

Im Zentrum von Tiecks abgründiger Fabel von 1797 steht ein Vogel, der goldene Eier legt und sprechen, besser: menschenverständlich singen kann. Einer magischen Alten gehört er, die ihrerseits ein armes, geschundenes Mädchen pflegte und dafür von ihr beraubt wurde; eben um das Eier-Gold. Dafür wird die Räuberin mit Wahnsinn gestraft, und der nichts ahnende Gatte, „Der blonde Eckbert“ eben, mit der ebenso vernichtenden Erkenntnis, dass die Gattin die eigene Schwester war: Inzest als Höchststrafe.

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Krude quirlt Tieck verschiedenste Märchen-Motive zusammen – zu ziemlich starkem Stoff. Weir hat darüber ein gut durchhörbares Gespinst aus gemäßigter Moderne gelegt – hohes und tiefes Holz-Instrumentarium, Klarinette, Oboe und Fagott, wird sparsam mit Streicherklang durchsetzt, Harfe und Horn setzen zusätzliche Akzente; und da sich die Handlung fast eine Stunde lang, bis kurz vor Eckberts Schmerzenslamento am Schluss, vor allem solistisch voranbewegt, bleiben Sing- und Orchesterstimmen, von Paolo Bressan konzentriert und sensibel geleitet, durchgängig eng und sehr dicht miteinander verbunden. Mathias Rümmlers Bühne und Anke Techentins Inszenierung sind obendrein nicht der Versuchung erlegen, die finstre Fabel optisch aufzuladen – ein Vorhang aus goldenen Streifen genügt, ein Haufen Gold-Flitter im häuslichen Bettkasten, sparsame Videos von Wald und Vögeln, schließlich zwei karge Bäume und (als Maximum aus der Trickkiste des Theaters) Kaminfeuer im Video-Bildschirm sowie ein sparsam eingesetzter Spiegel, in dem fremde Spiegel-Bilder erscheinen können – das genügt. Schon Mülleimer, Staubsammler für die Hausfrau und bunte Cocktails sind des Guten eigentlich ein bisschen zu viel.

Durch Sparsamkeit aber verdichtet die Aufführung im E-Werk, der kleinen Schweriner Spielstätte, auch die dramaturgischen Absonderlichkeiten des kleinen Stücks – in dem die Titelfigur lange kaum etwas zu singen hat: die Geschichte wird allein von der rätsel-haften Bertha einem Freund der Familie erzählt. Danach sucht und findet Bertha voll tiefer Verstörung letzte Ruhe in der Goldtruhe – und Eckbert tötet (aus Angst um den Goldschatz) den Freund. Noch einen anderen trifft er, vor allem aber schließlich die magische Alte mit dem Vogel, die das eheliche Geheimnis lüftet – Christian Hees singt all diese Außen-Figuren, Frank Blees den Eckbert und Itziar Lesaka die Bertha. Katrin Hübner tiriliert den Vogel-Part, zu Beginn und immer wieder für ein Kind, das die Handlung als stummer Zeuge begleitet – und der kleine Spiel-Raum stärkt die Kraft aller Stimmen.

Judith Weirs Märchen-Phantasie aber darf in dieser Schweriner Fassung sicher als Entdeckung gelten.