Foto: Buntbarocke Szene mit Stefan Zenkl, Gabriele Hierdeis und Sebastian Tiede. © Nilz Böhme
Text:Andreas Berger, am 12. März 2012
Solche Herrscher täten not! Der historisch verbürgte afghanische Stammesfürst Miriways hat zwar seine aus Persien eingefallenen Feinde besiegt, doch er will ihnen unter einem neuen Fürsten, dem Schahsohn Sophi, ihre Selbständigkeit zurückgeben. Telemann schrieb ihm in der gleichnamigen Oper denn auch eine Arie an die Vernunft als Staatstugend zu.
Nur in einem Punkt hat Miriways nichts dazugelernt: Obwohl selbst einst gegen seine Gefühle verheiratet, will er nun auch Sophi zwingen, eine diplomatische Vernunftehe einzugehen: mit seiner eben noch verschollenen unehelichen Tochter aus jener Liebesverbindung, die er damals der Staatsraison opfern musste. Gut drei Stunden lässt Telemann Miriways raten und drohen und Sophi für seine Liebe zu Bemira barmen, bis sich herausstellt, dass sie ebenjene uneheliche Tochter Miriways‘ ist. Happyend!
Schon wegen des bis heute politisch umstrittenen Handlungsorts und der Zwiespältigkeit des aufgeklärten Tyrannen müsste „Miriways“ auch Regisseure reizen. Das Theater Magdeburg hat die Oper jetzt mit dem L’Orfeo Barockorchester für die Magdeburger Telemann-Tage zum ersten Mal seit der Barockzeit neuinszeniert. Jakob Peters-Messer verweigert sich allerdings jeglicher Aktualisierung, ja nimmt selbst vom kriegerischen Hintergrund keine Notiz. Er spielt den Barock nur als Unterhaltungstheater, dem die orientalische Handlung als reizsteigerndes Kolorit dient. Die mahnenden Worte an die gute Regentschaft mag sich heute anziehen, wer will. Das wirkt in Markus Meyers ästhetischem Bühnenbild aus farbenfrohem Wandteppich und auf- und abfahrenden Gittern dann leider wenig spannend. Zumal wenn man bedenkt, wie treffsicher Jens-Daniel Herzog neulich in Hamburg Telemanns „Flavius Bertaridus“ zum zeitgenössischen Politspektakel machte.
Bei Peters-Messer neigt man sich viel in hübschen Phantasiekostümen zu, kaum mehr. Die meiste Bewegung geht von dem Leoparden-Statisten aus, der mal mit der Witwe Nisibis lümmeln oder Ball spielen darf oder mit dem Diener Cognac trinkt. Durchaus legen sich die Sänger auch darstellerisch ins Zeug, doch immer hübsch dem Wortlaut nach, ohne jegliche deutende Positionierung. Dabei macht seine kriegsgestählte Vernunft den Miriways durchaus angreifbar. Im Jähzorn etwa peitscht er einen Gesandten, das aber wird hier mit Pferdekopf zum Spiel verharmlost. Markus Volpert dürfte in dieser Szene noch mehr dramatische Kraft einbringen, doch weiß sein gesunder Bariton dem Miriways sonst durchweg edlen, herrscherlichen Ton zu geben. Überhaupt wird schön gesungen in Magdeburg. Julie Martin du Theil gefällt mit füllig weichem Sopran als Bemira, während Ulrike Hofbauer als ihr geliebter Sophi äußerst fein und filigran, aber zunächst auch etwas flach klingt, dann aber mit wütenden Koloraturen der Weltverachtung brillieren kann. Auch Gabriele Hierdeis‘ Sopran als Nisibis ist sehr schmal aufgestellt, selbst in ihrer wunderbar koketten Arie zu jonglierendem Leoparden bleibt sie allzu leise. Um sie wirbt zuletzt erfolgreich der balsamisch runde, dabei auch energisch auffahrende Bariton von Stefan Zenkl als Murzah. Seinen trügerischen Rivalen Zemir gibt die Mezzosopranistin Susanne Drexl mit guter Tiefe und energischer Verve. Übertroffen noch von dem wunderschön weichen, bruchlos alle Lagen durchlaufenden Mezzo von Ida Aldrian als Miriways geliebte Samischa.
Dazu spielt das L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg gespannt und federnd, darf mit Schellentrommeln und nicht immer sauberen Hörnern orientalisieren. Bei den Wiederholungen der stets gleich gebauten Arien hätte man getrost kürzen können. Der Farbenreichtum Telemanns kommt aber schön zur Geltung. Dass er eine barocke Zeitoper geschaffen hat, wird in Magdeburg allerdings nicht brisant gemacht.