Foto: Thomas Halle und Paul Grill in Kleists "Die Hermannsschlacht". © Jochen Klenk
Text:Elisabeth Maier, am 7. Oktober 2011
Vom kämpferischen Pathos ist Heinrich von Kleists „Hermannsschlacht“ durch-drungen. Das ist nur ein Grund, weshalb das 1808 entstandene Werk des Dich-ters, der mit den Mechanismen des Militärs haderte, erst 50 Jahre nach dessen Suizid uraufgeführt wurde. Auch heute tun sich Regisseure mit dem Drama über den Kampf des Cheruskerfürsten gegen die Römer schwer. Unverkrampft nähert sich Simon Solberg dem schwierigen Stoff am Staatstheater Karlsruhe an. Dabei zertrümmert der 31-jährige Regisseur den sperrigen Klassiker keineswegs. Hin-ter der kriegerischen Rhetorik des preußischen Dichters spürt er eine verwundete Sprache auf. Dass er diesen starken Zugriff mit einer Flut von Bildern und mit Comedy erschlägt, stört. Dennoch hat Solbergs mutige Klassikerarbeit Qualitä-ten, die ihn vom Regietheater-Hype seiner Generation abheben.
Denn Solberg begegnet dem Drama mit Respekt. Der Regisseur, der auch Schauspieler ist, horcht mit dem Ensemble tief in jene Textschichten hinein, in denen der Poet seine Verzweiflung nicht verhehlen kann. Der junge Paul Grill haucht Hermann Zweifel ein. In Maike Storfs schrägem Bühnenraum aus Euro-paletten kämpft der Held gegen die römische Besatzungsmacht. Mit Wasser, Lehm und Hütten schafft die Künstlerin Kriegsfront-Atmosphäre. Guerilla-Romantik und Historie zitieren Sara Kittelmanns Kostüme. Klug holt Grill sei-nen Hermann vom Sockel des Freiheitsdenkmals. Aus einer Kiste fischt er Bü-cher, aus denen er Halbwissen über Befreiungskämpfe von der Antike bis zur Gegenwart zitiert.
Eine bemerkenswerte Partnerin hat er in Cornelia Gröschel, die in Karlsruhe ihr erstes Engagement hat. Die zierliche Blondine zerschlägt das Klischee vom dümmlichen „Thuschen“. Sie zeigt Thusnelda als eine starke Frau, die nicht nur um ihre Kinder kämpft, sondern die sich auch an den Römern rächt. Simon Bau-er interpretiert den Legaten Ventidius als kalten Herrenmenschen. Souverän schafft Hannes Fischer den Spagat, nicht nur die Fürsten Marbod und Thuskar zu spielen, sondern auch den römischen Feldherrn Varus. Die Besetzung hat Solberg radikal gestrafft. Robert Besta verblüfft durch fieberglühendes Geigen-spiel. Als Ubierfürst Aristan ist er ein geldgeiler Opportunist, der Ideale und Menschen verrät. Für komische Momente sorgt Thomas Halle als Fürst Selgar. Manchmal übertreiben Solberg und sein Ensemble, wenn sie etwa eine bezugs-lose Videosequenz aus „Aktenzeichen XY“ einstreuen. Die Reizüberflutung mag die Spaßgeneration amüsieren. Solbergs kluges Konzept wird dadurch aus-geleiert. Da feilt er noch an seiner Regiesprache. Sein markantes Profil hat der 31-Jährige in Karlsruhe allemal bewiesen.