Foto: Sabine Unger (Elli), Peter Volksdorf (Junger Mann ) und Stefan Eichberg (Tom) in "Die Schatzsucher" © Fotostudio M42
Text:Elisabeth Maier, am 1. März 2013
Von Königinnenschuhen träumt die biedere Hausfrau Elli. In der raufaserkalten Reihenhaussiedlung bleibt ihr dieser Wunsch verwehrt – bis der junge Tagedieb in ihr Leben tritt und sie zum Ausbrechen zwingt. Das verwelkte Familienidyll eines Ehepaars zertrümmert die Stuttgarter Autorin Anna Katharina Hahn in ihrem Stück „Die Schatzsucher“, das am Stadttheater Heilbronn uraufgeführt wurde. Der bildbewohnte Text offenbart die Lust der vielfach preisgekrönten Romanschriftstellerin am Spiel mit der Sprache. In dem dynamischen Drama, das Intendant Axel Vornam in den Kammerspielen in Szene gesetzt hat, verstrickt sich Hahn zu sehr in Handlungsklischees, als dass sie ihre starken Porträts einer sozial degradierten Mittelschicht entfalten könnte.
Mit diesem Defizit des Stücks tun sich die Schauspieler schwer. Sabine Unger zeigt ihre einfach gestrickte Hausfrau Elli als kämpferische Mutter, die ihr letztes bisschen Glück retten will. Die Tochter ist längst ausgezogen „an den am weitesten entfernten Studienort“. Liebe kennt auch Ehemann Tom, bei Stefan Eichberg ein allzu farbloser Biedermann, nicht mehr. Es geht darum, wie die nächste Rate für das Reihenhaus abzubezahlen sei. Bühnenbildner Tom Musch hat mit Kunstrasen und kalkweißen Wänden einen morbiden Raum geschaffen, der das Sterben der Leidenschaft in den Vorstädten spiegelt. Carsten George taucht den Raum in eiskaltes Licht.
In dieses niedergehaltene Leben knallt der junge Mann, den Peter Volksdorf als Provokateur angelt. Ständig tischt der vermeintliche Schatzsucher dem Paar neue Geschichten aus seinem Leben auf, die ihr Mitleid erheischen. Anfangs rutscht der junge Schauspieler zu stark in die Karikatur ab. Dann aber verwickelt er die beiden Menschen, die keine Perspektive mehr haben, in ein Spiel, das ihnen hilft, ihr Leben wieder zu finden. Regisseur Axel Vornam lässt sich von Hahns Anspruch einer „komischen Tragödie“ zu einer Inszenierung verführen, die innere Konflikte der Figuren verwischt. Der verbissene Kampf um den Pfirsichbaum der längst ausgezogenen Tochter – ein betörendes Sinnbild für die verlorene Zukunft – gerät zum bloßen Spektakel. Und auch der Kindergeburtstag, den das Ehepaar für den vermeintlich einsamen Mieter ausrichtet, ist zu sehr seichte Quatschparade. Hahn, die mit ihrem ersten Monolog für die Heilbronner Bühne „Die letzte Stufe“ über eine alte Frau im Jahr 2011 ihr Gespür für die inneren Abgründe der kleinen Leute so wunderbar bewies, wird dieser Ansatz nur bedingt gerecht. Die kühle Analytikerin, die in ihrer Prosa so knapp und klar erzählen kann, verliert sich oft in Geplänkel und Nebensächlichkeiten. Vornams Regie orientiert sich zu sehr am Text, als dass sie eine Konzentration auf das Wesentliche ermöglichte.