Foto: Lola Klamroth und Alexander Angeletta als Liebespaar im Nahostkonflikt © Screenshot Detlev Baur
Text:Detlev Baur, am 21. Februar 2021
Es hat ein wenig gedauert, inzwischen aber hat das Schauspiel Köln das digitale Theater ganz zu seiner Sache gemacht. Einen Tag nach der zweiten Folge der Stream-Serie von „Edward II.“ folgte die Stream-Premiere „Vögel“. Stefan Bachmanns Inszenierung – als „Split Screen Stream“; die „eigentliche“ Inszenierung von Wajdi Mouawads Nathan-Umschreibung, die ohne Weisheit das Spannungsfeld von Post-Holocaust und Nahostkonflikt auf eine Familie zwischen New York, Berlin und Israel konzentriert, fand bereits im September 2019 statt. Sie operiert nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch, Hebräisch und Arabisch; die Ensemblemitglieder eigneten sich eigens dafür die ihnen bislang fremden Sprachen an. Das wird in der instruktiven Einführung im Gespräch der Darsteller anschaulich. Auch die Mehrsprachigkeit bzw. Untertitelung funktionieren im Stream bestens. Und doch schafft auch die Split Screen Ausstrahlung kein eigenes Kunstwerk, sondern nur den Abglanz einer momentan verhinderten Theateraufführung.
Die acht Darstellerinnen und Darsteller agieren überzeugend, allen voran Bruno Cathomas als streng konservativer Israeli, der schließlich erfahren muss, dass er von seinem „Vater“ als Baby in einem palästinensischen Haus aufgelesen wurde. Über weite Strecken sind zwei oder mehr Kameraeinstellungen parallel zu sehen (Video: Andreas Deinert und vier Kameraleute). Das kann in intensiven Gesprächen bei der Konzentration auf die Situation hilfreich sein, lenkt bei raschen Neueinstellungen allerdings teilweise auch wieder vom Spiel ab.
Im Grunde rückt auch durch die Vervielfachung der Kameraeinstellungen die Autonomie der Theaterzuschauer vor dem Bildschirm gegenüber denen im Zuschauerraum vor Ort nicht näher: Nun sind eben mehr vorgefertigte Perspektiven zu sehen; das Gesamtbild, die Atmosphäre der Bühne bleiben dennoch fern. Zuweilen wird durch schnelle oder einfach verdoppelnde Einstellungen gar eine unnötige Ablenkung geschaffen; das konzentrierte Schauspiel einzelner oder einer Gruppe gerät so noch weiter in die digitale Ferne. Der Split Screen Stream von „Vögel“ bleibt wie die meisten anderen Streams bereits abgeschlossener Inszenierungen ein Notbehelf. Bachmanns Inszenierung erscheint hier als eine angemessene, hervorragend gespielte Interpretation eines Familiendramas, das eine erzählerisch etwas konstruierte zeitgeschichtliche Politikaufarbeitung ist. Die Kölner „Vögel“ sind dementsprechend modern gemachtes, aber wenig eigenwilliges Theater.
Konsequent, um eine neue Form der Darstellung über das Theater hinaus zu erreichen, wäre eine Verfilmung von „Vögel“ gewesen. Gerade bei diesem zwar multilingualen, aber doch recht traditionellen well made drama böte sie sich an. Die Video-Regie zeigt hierfür allenfalls Ansätze.