Foto: Der Chor der Gefangenen im Leipziger "Nabucco". © Kirsten Nijhof
Text:Joachim Lange, am 18. Februar 2013
Wenn eine Verdi Oper durch Inhalt und Entstehungskontext politisch ist, dann sein „Nabucco“. In Leipzig verlegt Regisseur Dietrich Hilsdorf die Geschichte der bedrängten und beinahe vernichteten Juden so ungefähr in die Entstehungszeit der Oper um 1842, als es in Italien um den Freiheitskampf ging, der den berühmtesten Gefangenenchor der Operngeschichte in die Seele der Italiener einschrieb. Der Regisseur kombiniert das aber mit einer Theater-auf-dem-Theater Situation. Dabei soll ein Bühnenportal Assoziationsräume eröffnen, wobei ein transparenter Gazevorhang einen opulenten Theatersaal aus jener Zeit über die Geschichte projiziert. Das erlaubt zwar Auftritte der Akteure auf der Bühne und erinnert dabei an die Mechanismen der Politik. Aber klarer werden die Konstellationen zwischen den Parteien dadurch nicht.
Am Anfang, wenn sich die Juden versammeln und sich Mut gegen die anrückenden Eroberer zusprechen, mag man noch an das Italien vor der Einheit denken und in den Uniformierten die unterdrückenden Habsburger sehen. Doch das Ganze verliert sich alsbald in der Theatermetaphorik und wird dadurch drastisch verkleinert. Hilsdorf hat (in Analogie zur Uraufführung, wo man ein vorhandenes Bühnenbild benutzte) ebenfalls Teile seiner Inszenierung des „Deutschen Miserere“ wieder verwendet. Solche Insiderpointen können durchaus ihren Reiz haben. Doch in dem Falle nicht. Wo die so zitierte Ausgrabung allzu politisch plakativ danebenging, versteckt sich Hilsdorfs diesmal hinter dem Theatervorhang, auch wenn er ihn zuweilen aufgehen lässt. Die großen Effekte aber, vom Eintreffen der babylonischen Eroberer über den plötzlichen Wahnsinn des Königs bis zum Gefangenchor, delegiert er leider vor allem in den Graben.
Dort hatte Intendant und GMD Ulf Schirmer seinen Stellvertreter Anthony Bramall ins Rennen geschickt. Der ging mit dem Orchester pointiert zur Sache, trug gleichwohl die Sänger. Da wo es gefühlvoll werden darf, ließ Bramall es zu, da wo es dramatisch wird, war er überzeugender als die Szene. Markus Marquardt lieferte einen wuchtigen Nabucco, während Gaston Rivero aus der kleinen Rolle des von zwei Frauen begehrten Isamele ein Tenorereignis von Rang machte. Amarlli Nizza war die eigenwillig nach Dramatik trachtende Abigaille während sich Jean Broekhuizen als Fenena mit Eloquenz in dem soliden Ensemble profiliert. Der Chor, der mit dem „Va pensiero..“ Gefangenenchor das Filetstück aller italienischen Opernchöre aufbietet, war in Bestform, so dass alle Protagonisten dieses „Nabucco“ in dem endlich mal ausverkauften Haus gefeiert wurde. Auch der Regisseur, sein Bühnenbildner Dieter Richter und Kostümbildnerin Renate Schmitzer wurden in diesen Jubel eingeschlossen.