Foto: Tatjana Rese inszeniert Grabbes "Herzog Theodor von Gothland". Kein lustiges Hauen und Stechen, sondern blutiger Theaterernst: Markus Hottgenroth (Graf Holm), Henry Klinder (der alte Herzog von Gothland) und Philipp Baumgarten (Theodor, Herzog von Gothland) spielen Krieg. © Landestheater/Quast
Text:Elisabeth Maier, am 24. Oktober 2011
Einen lächerlichen Helden hat Christian Dietrich Grabbe mit „Herzog Theodor von Gothland“ geschaffen. Das bedingt bühnentaugliche Drama, in dem der Dichter verstaubte Konventionen des Biedermeier ebenso zertrümmert wie kriegerische Ideale, fordert den innovativen Klassiker-Interpreten Martin Nimz in seiner starken Inszenierung am Staatstheater Karlsruhe heraus. Aus den Trümmern der künstlerischen Form rettet er zärtlich jenes verletzte Genie, das sein Zeitgenosse Heinrich Heine einen „betrunkenen Shakespeare“ nannte.
Da balanciert Nimz auf einem schmalen Grat. Denn der Dichter lässt seinen Protagonisten in dem theatralen Amoklauf alles zerstören. Flurin Borg Madsen holt den Maschinenraum aus dem Keller. Zwischen Windmaschine, Heizkessel und Schlagbohrern löschen die Akteure ihre Menschlichkeit aus. Zerschlagene Schaufensterpuppen pflastern das Schlachtfeld. Meereswellen sind in blutrotes Licht getaucht. Matthias Engelkes Techno-Sound weckt Unbehagen. Die durchweg überzeugenden Schauspieler lassen sich auf Grabbes Spagat zwischen Welttheater und gewollt dilettantischer Bühnenkunst ein. André Wagner erfasst die Zerrissenheit seiner Figur. Er dekonstruiert Machtphantasien des schwedischen Herzogs. Anfangs betritt er die Szene im Hawaiihemd (Kostüme: Ricarda Knödler) und schiebt einen weißen Rasenmäher durch den Garten. Später jagt er seine Getreuen von einem Kettensägenmassaker ins nächste. Dazwischen kuschelt Wagner, der mit der Dummdreistigkeit seines Anti-Helden kokettiert, mit dem Königsmantel. Seine Macht ist aufgesetzt. Im Neger Berdoa, der die finnische Armee führt, hat er einen teuflischen Gegner. Dieser politische Aspekt, der Kampf von Kulturen, ist für Nimz zentral. Timo Tank ist ein großer Verführer. Lustvoll kostet der schwarz geschminkte Schauspieler komische Momente aus, um bald darauf als Reaktion auf Rassismus brutal zu morden. Jede Zuckung verrät den Schmerz des Mannes, den die Europäer als Tier betrachten.
Wo Ernsthaftigkeit nicht möglich ist, fallen die Schauspieler aus der Rolle. Der pensionierte Stefan Viering spielt den alten Gothland und denkt über seine eigene Unfähigkeit nach, der Bühne Lebewohl zu sagen. Ute Baggeröhr jongliert brillant mit der Eindimensionalität ihrer Rolle als Gothlands Frau. Natanael Lienhard als Bruder des Herzogs und Königsgünstling spielt mit Widersprüchen. Ironische Schlenker passen zum Text, der viel Unausgegorenes hat. Dass die Souffleuse Steffi Rademacher eine Hauptrolle spielt, gibt dem trotz radikaler Striche vierstündigen Abend Leichtigkeit zurück.