Nun also „L’isola disabitata“ in kleiner Besetzung, von Spezialist Schönleber einfallsreich bunt ausstaffiert, mit frischem Schwung inszeniert und vom (elektronisch verstärkten) Klavier aus von Andrés Jesús Gallucci musikalisch geleitet. Pietro Metastasios Libretto, das sich in naiv-kapriziöser Weise Daniel Defoes Robinson-Motiv anverwandelt, ist rasch erzählt. Auf besagter Insel sind Costanza und ihre kleine Schwester Silvia schiffbrüchig ausgesetzt – Costanza im Glauben, ihr Gemahl Gernando, der in Wirklichkeit von barbarischen Piraten entführt wurde, habe sie verräterisch verlassen. Die kindliche Silvia, die noch nie einen Mann gesehen hat, ist (deshalb?) glücklich und spielt mit Tieren. Costanza ergeht sich dagegen verzweifelt in Todesgedanken. Da landen nach Jahren zwei Männer auf dem Eiland – der zurückkehrende Gernando und sein Freund Enrico, die bald die beiden Frauen in der Waldwildnis finden. Aufklärung, gegenseitiges Verzeihen und neue Liebe brechen sich Bahn, nicht nur zwischen den Eheleuten.
Frisch zelebrieren vier jugendliche Solisten, motiviert von der García-Komposition, den harmlosen Plot und sind, nach Ablegung der Anfangs-Nervosität, musikdarstellerisch unterhaltsam unterwegs. Ihre liebenswerte Verspieltheit und ihr sangliches Engagement atmen den Geist unbekümmerter Musikstudenten und zeigen zugleich den Ehrgeiz, Grundsteine für eine künftige Theaterkarriere zu legen. Das bereitet beim Zuschauen und Zuhören viel Freude. Ouvertüren-Klaviergewirbel und Sprecherin Julia Seele, die eine „entzückende Liebesgeschichte mit Happyend“ ankündigt, eröffnen die anderthalbstündige Kurzweil. Dann wechseln sich Arien, Rezitative und Duette bis zum strahlenden Stretta-Quartett-Finale in munterer Folge ab.
Die aus Norwegen stammende Sopranistin Susanna Wolff bewältigt als Costanza mit Bravour die umfänglichste Rolle. Sie vermittelt eingangs ihre Traurigkeit mit feinem lyrischen Ausdruck, fällt, als Gernando auftaucht, in erbarmungswürdige Ohnmacht und krönt ihren Part arios mit zärtlichen Koloraturen und glockenhellen Spitzentönen. Die Italienerin Francesca Di Sauro hat als Silvia beim Singen naturgemäß keinerlei Probleme mit ihrer Muttersprache. Ihr Mezzo wirkt freilich anfangs noch etwas stumpf, entfaltet sich aber in den Duett-Passagen mit Costanza eindrucksvoll und hat im „süßen Taumel“ ihrer Arie „Fra un dolce deliro“ wunderschöne Momente. Als Gernando ist der Schweizer Tenor Remy Burnens nicht nur der ersehnte und von Schicksalsqualen erlösende Gatte, sondern auch musikalisch der Star. Sein Gesang hat begeisterndes Belcanto-Flair und kann dramatisch erregen, während der italienische Bassist und Enrico-Darsteller Lorenzo Liberali den Ziergesang behäbig angeht.
Galluccis Klavierbegleitung sorgt für die musikalische Basis und zeichnet sich in den Überleitungen durch Feingefühl aus. Auch in der durch die Epidemie erzwungenen Bescheidenheit wird diese Inszenierung dem ausgezeichneten Ruf des Wildbader Festivals gerecht.