"b.15" am Ballett am Rhein

Vergänglichkeit und Augenblick

Martin Chaix, Antoine Jully, Merce Cunningham, Amanda Miller und Regina van Berkel: b.15

Theater:Deutsche Oper am Rhein, Premiere:12.04.2013

Eng zusammengedrängt läuft das Ensemble über die Bühne, bildet im fliegenden Wechsel geometrische Muster. Mal sind es Linien, mal Wellen, die die Tänzer mit alternierenden Bewegungen beschreiben, dann sind sie schon wieder verschwunden. „We were right here!!“ ist der Titel von Martin Chaixs Choreografie, die den fünfteiligen Ballettabend, b.15, im Opernhaus Düsseldorf eröffnete. Es geht um Vergänglichkeit des Augenblicks, die der Choreograf in immer neu formierten Ensembleszenen beschreibt. Virtuos und schnell sind die Bewegungen zur sakral anmutenden Musik von Alfred Schnittke (1. Satz / Konzert für Chor), dann statisch, wie eingefroren. Frauen springen Männern in die Arme, nehmen Abschied; irgendwann steht eine Tänzerin allein auf der Bühne, dreht sich mal in die eine, mal in die andere Richtung. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – ein Glück, wem das gelingt. Martin Chaix, Ensemblemitglied des Ballett am Rhein, übersetzt die Flüchtigkeit von Zeit in ästhetischen, virtuosen Tanz und bringt dabei ein zutiefst menschliches Thema auf die Bühne – ein gelungener Auftakt für einen Ballettabend, in dem sich das Ensemble erneut als versierte, ausdrucksstarke Kompanie darstellte.

Vier Uraufführungen waren an diesem fünfteiligen Abend, b.15, zu sehen. Auch die zweite Choreografie stammt von einem Ensemblemitglied aus Martin Schläpfers Kompanie, Antoine Jully. „Rebound-Topple-Splash“ ist ein abstraktes Tanzstück auf Igor Strawinskys Concerto in Es, „Dumbarton Oaks“. Teils auf Spitze, teils auf flachem Fuß lässt Jully das Ensemble Linien beschreiben, die sich auch in seinem Bühnenbild wiederfinden. Eine rot beleuchtete Schräge verweist auf Körper, die aus dem Gleichgewicht geraten. Perfekt gestreckte Glieder stehen in Konkurrenz zu grotesken Figuren mit breitbeinigem Entengang und wackelnden Köpfen. Lassen sich die titelgebenden Bewegungsmodi auch nicht immer leicht identifizieren, so ist es doch phantastisch, wie exakt Jully Musik in Tanz zu übersetzen versteht.

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„Pond way“, ein Tanzstück aus dem Jahre 1998, ist inspiriert von Zoologie und Anthropologie. 13 Tänzerinnen und Tänzer in weißen, aufgeschnittenen Pumphosen und Shirts, stehen in Merce Cunninghams erdverbundener Choreografie auf der Bühne. Abrupte, animalisch wirkende Sprünge durchbrechen die ruhige, technisch anspruchsvolle Choreografie aus sich wiederholenden, kantigen Bewegungen. Dazu passt das Bühnenbild, eine Schwarz-Weiß-Landschaft von Roy Lichtenstein, sowie Brian Enos Sound-Kollage „New Ikebukuro“.

Ebenfalls naturbehaftet mutet Amanda Millers eigenwilliges, auf Improvisation basierendes Tanzstück,  „Crop“, an. Fred Friths Komposition für Streichquartett, „Allegory“, bindet Eulenrufe ein. Tänzerinnen in weiten Röcken bewegen sich zuckend durch eine surreal anmutende Welt aus mit Blumenbildern beklebten Holzkisten (Bühne: Seth Tillett). Irritierend, wenn Tänzerin Yuko Kato plötzlich laut lacht, dann das Gesicht verzieht und wieder verstummt. Alles scheint unecht zu sein in diesem artifiziellen Raum um Pflanze und Tier.

Regina van Berkel schließlich beschäftigt sich, ähnlich wie Martin Chaix, mit Vergänglichkeit.  „Inclination“ positioniert drei Tänzerpaare auf diversen Ebenen von Dietmar Janecks Bühne, in dessen Zentrum ein silbern schimmernder (Lebens-)baum steht. Von hinten nach vorne tanzen die Figuren (Musik: Streichquartett Nr. 4 /„The Ancient Tree“, Alan Honhaness), vergegenwärtigen Vergangenes, verkörpern Lebensfreude. Eine Choreografie, die nicht nur durch virtuose Technik besticht, sondern auch Persönlichkeiten ins Rampenlicht stellt. Großer Applaus für einen kunstvollen, abwechslungsreichen Tanzabend.