Identifizierungspotenzial
Das Bankett, bei dem später der Geist des gerade getöteten Banquo erscheint, wird mit der einschmeichelnden Musik von Viola Kramer zur Party und reiht sich ein in die Mittel, die die schottische Geschichte in das Heute holen: Aufgezeigt wird die Radikalität eines Kleinbürgertums, das sich in den Männlichkeitsritualen seiner selbst zu versichern versucht. Felix Jeiter spielt Macbeth als Getriebenen. Bei allem, was er tut, bleibt er seltsam unbeteiligt, reflexive Phasen werden eher beiseite gesprochen. Nur wenn er die Krone trägt, rafft er sich zu starken männlichen Gesten auf. Auch der Banquo von Markus Michalik oder der MacDuff von Antonio Lallo üben sich in solchen Gesten, zugleich aber haben sie starke emotionale Momente, die ein kurzes Anhalten des Spiels markieren. Das eingespielte Ensemble wird durch einen strahlenden Reyniel Ostermann als Malcolm, dem Sohn von König Duncan, Kristine Göpfert unter anderem als herbe Lady Macduff und Feline Zimmermann vervollständigt.
„Macbeth“ auf eine Studie gegenwärtiger toxischer Männlichkeit herabzubrechen, erscheint gewagt. Aber Becker lenkt damit die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich selbst: Wieviel Macbeth ist in mir selbst? So wird diese Inszenierung zu einem Lehrstück über die Verführbarkeit der Macht und jeder Einzelne im Publikum ist aufgerufen, das eigene Verhalten zu überprüfen.