Foto: Szene aus "Salmans Kopf": Anna Windmüller (Liza), Matthias Kelle (Sohn), Sebastian Kowski (Salman), Fridolin Y. Sandmeyer (Teenager), Jan Jaroszek (Boyfriend). © Sonja Rothweiler
Text:Adrienne Braun, am 24. September 2012
Doch nicht mit einem Messer! „Mit einem Messer“, sagt der Metzger, „sägen wir die ganze Nacht an ihm rum“. Er braucht ein Beil. Nur mit einem großen, scharfen Beil bekomme er den kräftigen Hals und die Wirbel von Salman Rushdi durch. Der Familie ist alles recht, Hauptsache, Salman Rushdie wird der Kopf abgesäbelt – und irgendjemand zahlt ihnen eine Million dafür. Die Iraner, zur Not auch ein reicher Russe.
„Salmans Kopf“, das neue Stück der Brüder Oleg und Wladimir Presnjakow aus Jekaterinenburg ist eine bitterböse Groteske. Während der indisch-britische Autor Salman Rushdie gerade seine Autobiografie veröffentlicht hat, leidet sein Doppelgänger auf der Bühne unter einer Schreiblockade. Deshalb kommt schon lang kein Geld mehr rein. Seine Familie hat eine rettende Idee, um das zu ändern. Nachdem vor Jahren auf den erfolgreichen Schriftsteller ein Kopfgeld ausgesetzt wurde wegen Verunglimpfung des Islams und des Propheten, wollen sie nun seinen Kopf gewinnbringend verkaufen. „Aber was ist mit der moralischen Seite?“, fragt Salman. „Zugegeben, es wird mir nicht leicht fallen“, antwortet seine Frau Liza, „aber noch schwerer ist es, so weiterzuleben“.
Das Schauspiel Stuttgart, das auch schon „Vor der Sintflut“ der Brüder Presnjakow herausgebracht hatte, hat nun „Salmans Kopf“ in seiner Spielstätte NORD uraufgeführt – und die Regisseurin Catja Baumann versucht dieser scharfzüngigen Farce in Sachen Witz noch eins draufzusetzen. Denn „Salmans Kopf“ ist eine rasante Komödie, die zwar nicht durch sprachlichen Feinschliff besticht, aber erfrischend gegenwärtig ist und mit leichter Hand aktuelle Themen verhandelt. Die Brüder Presnjakow parodieren die Gier nach Provokation und medialer Öffentlichkeit ebenso wie die Schnelllebigkeit der literarischen Welt und die Skrupellosigkeit des modernen Zeitgenossen, der nur noch nach Geld und Sex aus ist. „Wir wollen die ganze Welt ficken, Papa“, sagt Salmans Sohn, „und dein Kopf wird uns dabei helfen.“
Auf der Bühne des NORD steht nun die Wohnung der Rushdies mit gemusterten Tapeten, deren Ornamente auf den Kleidern und Anzügen der Akteure wieder auftauchen, um gleich deutlich zu machen, dass es hier um reinen Klamauk geht und Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit von den Autoren zwar beabsichtigt sein mögen, aber keineswegs ernst zu nehmen sind. Catja Baumann setzt auf Jux und Dollerei, auf expressionistisches Ausdrucksspiel und pantomimische Klamotte. Wer Angst hat, versteckt sich im Kamin, als sich die Verwandtschaft gegen Rushdie verbündet, marschieren sie im ulkigen Entengang. Sie spielen in Slowmotion, und der Metzger Nomrodt, den Bijan Zamani mit abgründiger Schärfe spielt, hat Arme und Gesicht rosarot getüncht wie ein Dämon.
Die Schauspieler – ob es Anna Windmüller als Ehefrau oder Matthias Kelle als Sohn ist – scheuen keine Albernheit, aber ein wenig subtiler hätte der Humor der Presnjakows durchaus verhandelt werden dürfen. Baumann dagegen nutzt ihn dagegen als Steilvorlage für kurzweiligen Komödienstadel, der bestens unterhält, vor lauter lautem Lachen aber die Scharfzüngigkeit des Textes aus dem Auge verloren hat.